Serbien

Serbien hält sich die Tür zur EU offen

Serbien ist unter keinen Umständen bereit, das Kosovo in die Unabhängigkeit zu entlassen. Dies hielt das serbische Parlament in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution fest. Dennoch will sich das Land eine europäische Zukunft wegen des Kosovo-Streits nicht gänzlich verbauen.

„Serbien wird die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen“, unterstrich Staatschef Boris Tadic am Mittwoch im serbischen Parlament. Gleichzeitig stellte sich Tadic hinter die Resolution gegen ein unabhängiges Kosovo, die auch von allen großen Parteien im Parlament unterstützt wurde. Der Staatspräsident machte aber auch deutlich, dass er und seine prowestliche Demokratische Partei (DS) nicht bereit sind, im Kampf um das Kosovo die europäische Perspektive Serbiens aufzugeben oder gar einen Krieg vom Zaun zu brechen: „Die Behörden in Belgrad werden alles tun, damit Kosovo in Serbien und Serbien auf dem europäischen Weg bleibt. Durch Isolation vom Rest der Welt und mit Krieg können wir weder das Kosovo halten noch eine wirtschaftliche Perspektive für unsere Bürger sicherstellen.“ Tadic forderte weitere Verhandlungen über den künftigen Status der seit 1999 unter Uno-Verwaltung stehenden südserbischen Provinz.

Noch vor wenigen Tagen drohte die serbische Regierung wegen des Streits um die nun verabschiedete Kosovo-Resolution auseinanderzubrechen. Der nationalkonservative Ministerpräsident Vojislav Kostunica, Vorsitzender der immer offener europakritischen Demokratischen Partei Serbiens (DSS), wollte in der Resolution festschreiben, dass Serbien das bereits paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU nur unterzeichnet, wenn Brüssel Garantien für einen Verbleib des Kosovo innerhalb der Grenzen Serbiens abgebe. Staatspräsident Tadic bekämpfte diese unrealistische Forderung mit allen Mitteln. Dabei dürfte das Argument, dass laut Umfragen 70 Prozent der Bürger Serbiens den EU-Beitritt ihres Landes wollen, eine wichtige Rolle gespielt haben. Sowohl Minister der DS als auch der DSS bestätigten nun, dass die Kosovo-Resolution eine Unterzeichnung des Abkommens mit der EU nicht verhindere. Eine Garantie für die Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses Serbiens ist die in vielen Punkten äußerst vage und von der Opposition als fauler Kompromiss kritisierte Resolution allerdings nicht.

Kostunica ging vor dem Parlament kaum auf die Beziehungen seines Landes zur EU ein, griff dafür aber die USA frontal an. Er warf Washington vor, internationales Recht zu brechen, weitere Gespräche und damit einen Kompromiss in der Kosovo-Frage zu verhindern und auf Machtpolitik zu setzen: „Amerika wandelt sich von einem Symbol der Freiheit immer mehr zu einem Symbol der Gewalt“, sagte der Premier, um sich gleich bei Russlands Präsident Wladimir Putin für dessen Unterstützung zu bedanken.Die Resolution selbst spart nicht mit Kritik an die Adresse Brüssels: Ohne Zustimmung des Uno-Sicherheitsrates sei es unmöglich, dass eine EU-Mission die derzeitige Uno-Verwaltung Unmik im Kosovo ablöse. Genau das hatte ein EU-Gipfel aber am 14. Dezember beschlossen. 

Zugleich verlangt die Resolution die Überprüfung der diplomatischen Beziehungen zu allen Ländern, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Was dies konkret bedeutet, bleibt allerdings unklar und dürfte mehr ein innenpolitisches Signal zur Demonstration von Selbstbewusstsein als eine Drohung nach außen darstellen.Ganz offen stellt der Text aber die weitere Annäherung Serbiens an die Nato in Frage. Mittels der Resolution hat das Parlament nämlich die militärische Neutralität Serbiens beschlossen – mindestens für so lange, bis in einem Referendum darüber entschieden wird. Serbiens Verteidigungsminister Dragan Jocic (DSS) sagte, dieser Parlamentsbeschluss sei die „erste echte langfristige Antwort auf die Haltung der Nato“ gegenüber seinem Land. Er verwies dabei auf die Bombardierung Serbiens 1999 und die einflussreiche Rolle, die die Nato im abgelehnten Ahtisaari-Plan hätte einnehmen sollen.

Die Anzeichen mehren sich, dass die EU Belgrad bereits im Januar die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens anbieten könnte. Dadurch sollen die proeuropäischen Kräfte in der serbischen Regierung und mit ihnen auch Präsident Boris Tadic gestärkt werden, der sich im Januar zur Wiederwahl stellt. Brüssel will unbedingt verhindern, dass Tomislav Nikolic von der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) neues Staatsoberhaupt wird. Dabei könnte die EU die als Voraussetzung für eine Unterzeichnung verlangte Verhaftung und Auslieferung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic fallen lassen. In dieser Woche hatte der leitende serbische Staatsanwalt Vladimir Vukcevic erstmals bestätigt, dass sich Mladic in Serbien befinde. Die Regierung dementierte umgehend.


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