Russland

Investieren ohne Schmiergeld

Ikea in Russland, auf den ersten Blick ist das eine reine Erfolgsgeschichte. Auf den zweiten Blick allerdings offenbart sich ein typisches Beispiel für die Schwierigkeiten, mit denen Unternehmer aus Westeuropa in Russland kämpfen.Die erste Filiale des schwedischen Möbelhauses in Moskau öffnete im Jahr 2000 ihre Türen. 50.000 Besucher gleich am ersten Tag waren ein solcher Erfolg, dass es eine Reportage über die Eröffnung bis in die deutschen Kinos schaffte. Inzwischen stehen in der russischen Hauptstadt drei Ikea-Häuser, in St. Petersburg zwei und jeweils eines in Kasan, Jekaterinburg und Nischni Nowgorod. Zu jedem Möbelhaus gehört außerdem eine riesige so genannte Mega-Mall. Diese Einkaufszentren machen das schwedische Unternehmen zu einem der größten Immobilienvermieter in Russland.Trotz des rasanten Wachstums - mindestens ein neues Einkaufszentrum inklusive Möbelmarkt pro Jahr - zeigen sich am Beispiel Ikea die typischen Probleme für westliche Unternehmer auf dem russischen Markt. Die Schweden richteten sich von Anfang an darauf ein und rechneten bereits im Jahr 2000 damit, erst nach einem knappen Jahrzehnt in Russland Gewinne machen zu können. Schuld sind die hohen Einfuhrzölle, die sich auch auf die Preise in den Filialen durchschlagen. Deswegen will Ikea jetzt vermehrt in Russland produzieren und auf diese Weise die Zölle umgehen - eine Strategie, die Moskau in seiner Zollpolitik nur bestärkt.
 
Doch auch darüber hinaus stoßen russische und europäische Geschäftskultur bei Ikea immer wieder aufeinander. Auf den Tag genau durchkalkulierte Businesspläne zum Beispiel sind in Russland eher eine Ausnahme - was die Möbelverkäufer inzwischen des Öfteren erfahren durften. Angesetzte Eröffnungstermine wurden mehrmals durch lokale Behörden, Gerichte oder Baufirmen durchkreuzt. Neuestes Beispiel ist Nowosibirsk. Erst am späten Abend vor der Eröffnung der dortigen Mega-Mall untersagte die Stadtverwaltung die für den nächsten Tag geplante Veranstaltung. Zur Begründung hieß es, eine vertraglich zugesicherte Zufahrtsstraße sei nicht im vereinbarten Umfang fertig gestellt worden. Kurz vor Mitternacht gaben die Schweden klein bei und akzeptierten die offizielle Anordnung. Die Polizisten, die am nächsten Tag aufzogen und das gesamte Einkaufszentrum demonstrativ abriegelten, dürften ihnen bei der Entscheidung geholfen haben.In Interviews mit lokalen Zeitungen klingt Peer Kaufmann, der Generaldirektor von Ikea- Russland, allerdings auffällig zahm. Die strittige Zufahrt sei natürlich fertig gewesen, man hätte jedoch selbst eingesehen, dass noch Verbesserungen möglich seien.

"Aber der Bürgermeister hofft, dass wir in nächster Zeit alle notwendigen Genehmigungen bekommen", so Kaufmann gegenüber dem Onlineportal ngs.ru.Die Nowosibirsker Bürger reagieren gemischt auf den Vorfall. Manche jubeln, ihr Bürgermeister habe es den ausländischen Kapitalisten endlich einmal so richtig gezeigt. Andere finden dessen Verhalten eher beschämend und vermuten, dass nicht genug Schmiergeld geflossen ist. Ausländische Investoren erfahren immer wieder am eigenen Leib: Wer - wie Ikea - nicht bereit ist, Geld in schwarze Kassen fließen zu lassen, muss sich auf derartige Widrigkeiten eben einstellen. Auch in Moskau scheiterte die Erweiterung des Möbelhauses um ein Einkaufszentrum 2004 an einer Zufahrtstraße, die zu nahe an einer Gasleitung vorbeilief. Eine alternative Brücke wurde jedoch jahrelang durch die Behörden blockiert. Mit einer offiziellen Spende von einer Million Dollar für den Aufbau von Sporteinrichtungen lösten die Geschäftsleute schließlich das Problem.Bürokratische Hürden galt es 2002 auch in St. Petersburg und vier Jahre später in Nischni Nowgorod zu überwinden. Im ersten Fall wurde die Umweltverträglichkeit der neuen Filiale in Frage gestellt, im zweiten die Bestimmungen für den Brandschutz.

In Nischni Nowgorod waren allerdings ernsthafte Mängel im Markt tatsächlich nicht von der Hand zu weisen - nach einem tödlichen Unfall mit einem Einkaufswagen auf einer Rolltreppe wurde die Filiale für mehrere Wochen geschlossen. Die Geschäftsleitung von Ikea lässt sich durch derlei Widrigkeiten nicht vom russischen Markt drängen und investiert weiterhin Milliarden in den Bau neuer Möbelmärkte und Mega-Malls. In Omsk, 700 Kilometer westlich von Nowosibirsk, wurde kürzlich der Grundstein für ein neues Einkaufzentrum gelegt - zusammen mit einem lächelnden Bürgermeister.


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