Russland

Geisteskranker Serienmörder verurteilt

Er wollte ein Schachbrett mit Leichen füllen und lockte seine Opfer mit einem toten Hund

Alexander Pitschuschkin wollte berühmt werden, um jeden Preis. Also schmiedete er einen perfiden Plan: Ein Schachbrett voller Leichen wollte er schaffen und für jedes der 64 schwarzen und weißen Kästchen einen Menschen ermorden. So wollte er den berühmten russisch-ukrainischen Serienmörder Andrej Tschikatilo übertrumpfen. Der hatte sich Anfang der 80er Jahre damit gebrüstet, 64 Menschen umgebracht zu haben und wurde dafür zum Tode verurteilt. Sein 33-Jähriger Nachahmer versetzte die russische Hauptstadt seit 2001 sechs Jahre lang mit seinen Morden in Angst. Erst im Sommer 2006 stoppte ihn die Polizei. Während des Gerichtsprozesses gegen Pitschuschkin wurden immer mehr schauerliche Details über dessen Bluttaten bekannt.

Seinen ersten Mord beging der damals 18-Jährige 1992. Er tötete seinen 19-jährigen Jugendfreund Michail Odijtschuk – und zwar nach einem Muster, dem er bis zu seiner Verhaftung 2006 immer wieder folgte: Pitschuschkin lud seinen Freund ein, im Moskauer Bitzewski-Park mit ihm auf seinen toten Hund anzustoßen. Nachdem er Odijtschuk mit Wodka wehrlos gemacht hatte, erwürgte er ihn. Noch im gleichen Jahr bewarb sich Pitschuschkin um einen Job bei der Polizei – ohne Erfolg.

Daraufhin zog sich der Moskauer zunächst für gut neun Jahre zurück. Erst 2001 begann er die Mordserie, die seine Stadt sechs Jahre lang in Atem hielt. Zehn Menschen brachte Pitschuschkin den Ermittlern zufolge in jedem Jahr um. Als Opfer wählte er vor allem Obdachlose, Alkoholiker und Behinderte. Und lockte sie immer mit der gleichen Strategie zu sich: Unter dem Vorwand, ihnen das Grab seines geliebten Hundes zu zeigen, führte er sie in den Park und betäubte sie mit Alkohol. Er servierte sogar fast immer die gleiche Wodkamarke: “Goldener Veles”. Denn Pitschuschkin bildete sich ein, die strafende Hand des Slavengottes Veles zu sein und die Gesellschaft mit seinen Morden von nutzlosen Menschen zu befreien.

Mit der Zeit wurden Pitschuschkins Morde immer brutaler: Während er seine Opfer zunächst in einen Abwasserschacht stieß, wo sie ertranken, nahm er bald einen Hammer mit, mit dem er den Betrunkenen auf den Kopf schlug. Später schoss er mit einer selbstgebastelten Schusswaffe auf sie.

Eine unheimliche Begegnung zwang den Mörder vom Bitzewski-Park schließlich, eine zweijährige Pause einzulegen: Drei seiner Abwasserschachtopfer überlebten die Tat – zwei von ihnen sah Pitschuschkin 2003 zufällig auf der Strasse wieder. Er begann erst 2005 wieder zu morden und ging nun mit noch größerer Brutalität vor: Um sicher zu sein, dass seine Opfer wirklich tot waren, trieb Pitschuschkin den bereits am Boden liegenden Menschen einen Pfahl in den Kopf.

Wegen eines einzelnen Mordfalls wurde Pitschuschkin am 16. Juni 2006 festgenommen. Er hatte sich mit einer ehemaligen Arbeitskollegin verabredet, die seine Telefonnummer – was Pitschuschkin nicht wusste – zuvor bei ihrem Sohn hinterlegte. Mithilfe dieser Nummer ermittelte die Polizei den Täter. Selbst seine Festnahme war spektakulär: Nach Angaben der “Moscow Times” seilten sich Spezialkräfte der Polizei zu Pitschuschkins Wohnung herab, um einen Selbstmord zu verhindern. “Ich hätte niemals aufgehört”, soll der Mörder kurz danach gesagt haben, “mit meiner Festnahme haben Sie viele Leben gerettet.“

Gegenüber dem Moskauer Gericht verweigerte Alexander Pitschuschkin zunächst jede Aussage. Er wollte aus dem Gefängnis “Butyrki” in eine andere Haftanstalt verlegt werden, in der seiner Meinung nach “wichtigere Häftlinge” einsaßen, unter ihnen der russische Oligarch Michail Chodorkowski. Später legte er dennoch ein umfassendes Geständnis ab. Pitschuschkin beharrt darauf, 62 Menschen umgebracht zu haben. Die Staatsanwaltschaft legt ihm hingegen lediglich 49 Morde und 3 Mordversuche zur Last.

Im Gefängnis hat Pitschuschkin inzwischen ein gutes Dutzend Zeitungen abonniert. Artikel, die ihn betreffen, schneidet er sorgfältig aus. Journalisten bezeichnen ihn darin als “Bitzewski-Irren” oder als “geisteskranken Schachspieler”. Gutachter attestieren dem Serienmörder soziale Verwahrlosung, die zu einem krankhaft übersteigerten Geltungsdrang geführt hat. Sein Verteidiger Pawel Iwannikow erklärte gegenüber russischen Medien: “Pitschuschkin will berühmt werden”.

Unklar ist, was der Russe mit dieser Berühmtheit anfangen will: In dieser Woche haben ihn die Geschworenen einstimmig für schuldig erklärt und mildernde Umstände ausgeschlossen. Pitschuschkin droht eine lebenslange Haft ohne Chancen auf eine vorzeitige Entlassung. Die Todesstrafe wird in Russland aufgrund eines Moratoriums derzeit nicht vollstreckt.

ENDE

Alexander Schrepfer-Proskurjakow


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