Russland

Immer mehr Klicks

Wachstumsrekorde im russischen Internet

In Russland mögen manche Wohnungen zugig und viele Straßen noch holprig sein – doch die Gemeinde der Internetnutzer wächst rasant. Bezifferte die russische „Stiftung öffentliche Meinung“ (www.fom.ru) das russische Internet-Publikum im Frühjahr 2004 noch auf knapp 15 Millionen, so hat sich diese Zahl im Frühjahr 2007 beinahe verdoppelt. Fast 29 Millionen Russen, rund 21 Prozent der Gesamtbevölkerung des riesigen Landes, nutzten zu diesem Zeitpunkt das Internet. Sollte dieses Wachstumstempo anhalten, rechnen Experten der Web-Agentur webplanet.ru mit mindestens 50 Millionen russischen Nutzern bis 2010.

Die Wachstumsrate in der Russischen Föderation liegt damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt: Laut Schätzungen des Internet-Forschungszentrums „Jupiter Research“ wird die Anzahl der Internetnutzer weltweit bis 2011 lediglich um sechs Prozent anwachsen.

Innerhalb der russischen Regionen sind die Unterschiede im Nutzungsverhalten jedoch nach wie vor hoch: Internet-Zugänge konzentrieren sich vor allem auf den europäischen Teil Russlands, wo der Anteil bei 56 Prozent liegt. Allein in den Gebieten Moskau und St. Petersburg leben über 10 Millionen Internetnutzer.  Inwieweit die anderen Regionen, insbesondere klimatisch schwierige und abgelegene Gebiete in Sibirien, im Fernen Osten und im russischen Süden zu einem Anschluss ans Informationszeitalter fähig sind, bleibt offen.

Immerhin forderte Russlands Vizepremier, Dmitri Medvedev, bei einem Treffen mit russischen Programmierern Ende September in Moskau, mehrsprachige Software zu entwickelt. Denn „natürlich haben wir mit Russisch eine Hauptsprache, aber wir sind nun ein vielsprachiges Land“. Neben den Russen, die mit fast 80 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, leben nahezu 100 andere Völker auf dem weit ausgedehnten Gebiet des Landes.

Für Angehörige der russischen Armee war ein eigener Internet-Zugang bis vor kurzem übrigens streng verboten – der Geheimhaltung wegen. Auch dabei zeichnet sich nun eine Wende ab: Das russische Verteidigungsministerium hat vor, bis Januar 2008 insgesamt 145 „Internet-Zentren für gemeinschaftlichen Zugang“ in verschiedenen Militäreinheiten zu eröffnen. In Anbetracht von mehr als einer Million russischer Soldaten erscheint diese Zahl zwar verschwindend gering. Nichtsdestotrotz ist dies für für die Militärs jedoch ein Meilenstein: Sie erhalten besseren Zugang zu wichtigen Informationen, können schneller mit ihren Familien in Kontakt treten und so das Leben in der Armee insgesamt transparenter machen.      

Auch die Anzahl der registrierten Domänen im russischen Internet, also der Seiten mit der Endung .ru, ist stark gewachsen. Zählte man 2004 noch rund 305 000 Domänen, hatte sich diese Zahl bis September 2007 bereits verdreifacht: Das Web-Unternehmen „RU-Center“, das russische Internetdomänen registriert, meldete in diesem Monat stolz die Anmeldung der millionsten .ru-Domäne.

Um diese Zahl zu erreichen, hat das russische Internet 13 Jahre gebraucht. Die erste .ru-Domäne wurde am 7. April 1994 registriert. Inzwischen ist Russland weltweit das achte Land, das die Millionengrenze überschritten hat – nach Deutschland, Großbritannien, China, der Europäischen Union, den Niederlanden, Italien und den USA. Favorit auf dieser Rangliste ist momentan Deutschland mit über elf Millionen angemeldeten Domänen. Russische Experten schätzen, in ihrem Land werde spätestens Ende 2008 die Zwei-Millionen-Grenze angemeldeter Seiten überschritten sein.

Das russische Internet-Auditorium wird nicht nur immer größer, es wird auch immer jünger. Mehr als die Hälfte der Webnutzer sind 18 bis 24 Jahre alt (2004 waren es 34 Prozent), weitere 40 Prozent stellen die 25- bis 34-Jährigen. Nur drei Prozent aller Nutzer sind mehr als 54 Jahre alt. Außerdem surfen immer mehr Frauen im elektronischen Netz: Lag das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Nutzern 2002 noch bei bei 63 zu 38 Prozent, verringerte sich dieser Abstand 2007 auf ein Verhältnis von 58 zu 43 Prozent.

Noch immer tobt im russischen Netz der Konkurrenz-Kampf zwischen den Online-Versionen der Print-Ausgaben und den „reinen“ Online-Medien, also denen, die ausschließlich im Internet erscheinen. Das tägliche Internetpublikum von klassischen Zeitungen wie Izwestia, Komsomolskaja prawda und Sport-Express liegt bei über 30 000 Lesern pro Tag, was 1,5 bis 6 Prozent der Papierleserschaft ausmacht. Die Seite der Online-Zeitung Dni.ru hingegen besuchen täglich fast doppelt so viele User, nämlich 65 000. Ein absoluter Renner im Netz ist die Online-Nachrichtenagentur rbc.ru mit bis zu 250 000 Online-Lesern pro Tag.

Lebhaft interessieren sich die Russen dabei für Nachrichten aus dem Ausland: Die Internetseite Ino-SMI.ru, die Artikel führender westlicher Zeitungen wie The Guardian, Le Monde, F.A.Z, The Independent, The Times, The International Herald Tribune in russischer Übersetzung anbietet, registriert bis zu 40 000 Netz-Leser täglich.

Weitaus populärer als diese Informationsangebote bleiben jedoch auch für russische Nutzer Unterhaltungsmöglichkeiten im Internet, die mit Abstand die größten Nutzerzahlen verzeichnen. Die Dating-Seite znakomstwa(at)mail.ru übertrifft mit ihren täglichen 300 000 Benutzern sogar die Nachrichtenagentur rbc.ru. Und selbst das Wetter-Portal Gismeteo.ru zählt noch zwischen 220 000 und 250 000 Besucher pro Tag.

Alexander Schrepfer-Proskurjakow

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