Russland

Drei Tote bei Aufstand in Strafkolonie

Fluchtversuch und Schießerei in Jugendstrafanstalt bei JekaterinburgMoskau (n-ost) – Es war eine Nacht des Grauens. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch von sieben jugendlichen Häftlingen brach in der Strafkolonie Kirowgrod bei Jekaterinburg in der Nacht zum Mittwoch ein Aufstand aus. Bei den Unruhen starben drei Menschen, darunter ein Wächter. Sechs Aufseher und zwölf Jugendliche wurden verletzt. Sie mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden. Eine Erste-Hilfe-Sanitäterin berichtete gegenüber dem Fernsehkanal ORT, sie habe zahlreiche Jugendliche mit Schusswunden behandelt.An den Unruhen beteiligten sich, so der Leiter der Gefängnisverwaltung des Gebiets Swerdlowsk, Anatoli Polujatkow, 300 der 463 Häftlinge. Die Jugendlichen steckten mehrere Gebäude in Brand, Feuerwehrfahrzeuge wurde mit Steinen beworfen. Gepanzerte Fahrzeuge der OMON-Sonderpolizei rückten an. Die Polizisten trieben die Aufständischen in mehrere Gruppen auseinander. Jugendliche mit kahl geschorenen Köpfen und Gefängnisaufseher wurden von Erste-Hilfe-Sanitätern medizinisch versorgt. Bereits im August letzten Jahres hatte es in der Jugendstrafanstalt einen Aufstand gegeben. Danach musste der Leiter der Kolonie seinen Posten räumen. Kampf um WaffenNach offizieller Darstellung hatte das Wachpersonal zunächst Warnschüsse gegen die Flüchtenden abgegeben. Danach hätten die sieben Jugendlichen versucht, den Wächtern die Waffen zu entwenden, woraufhin das Wachpersonal auf die Flüchtenden geschossen habe. Insgesamt 20 Jugendlichen gelang die Flucht. Bis auf zwei seien aber alle gestellt worden. Der stellvertretende Leiter der russischen Gefängnisverwaltung, Eduard Petruchin, lobte die Sicherheitskräfte. Diese hätten mit „hohem professionellem Niveau“ reagiert. Von den 463 Jugendlichen säßen 365 eine Strafe wegen Raub oder Mord ab. Ihre Psyche sei „nicht ausgeglichen.“ Der Gouverneur des Gebietes Swerdlowsk, Eduard Rossel, erklärte dagegen, die Mitarbeiter des Gefängnisses hätten „versagt“. Ein Massenausbruch der fast 500 Jugendlichen sei nur durch den Einsatz der Polizei verhindert worden. Der stellvertretende Leiter der Gefängnisverwaltung erklärte, die Unruhen sein ausgebrochen, weil einige Jugendliche, die das 18. Lebensjahr erreicht hatten, nicht in die Strafkolonie für erwachsene Männer wechseln wollten. Dort sind die Haftbedingungen härter. Ein Sprecher des  Justizministeriums erklärte, die Jugendlichen hätten für ihren Ausbruchsversuch absichtlich die Nacht gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt Frauen die Wache übernommen hatten. Menschenrechtler beklagen unhaltbare ZuständeDer Leiter der Menschenrechtsorganisation „Für Menschenrechte“, Lew Ponomarjow, erklärte, die Situation in den russischen Gefängnissen verschlechtere sich immer mehr. Das sei schon ein „nationales Problem“. Aus den Strafkolonien kämen „Gewalt, Intoleranz und Brutalität.“ In den 90er Jahren hätten Menschenrechtler und Journalisten noch Zugang zu den Kolonien gehabt. Sie hätten Probleme aufdecken und Protestaktionen verhindern können. Das sei heute nicht mehr möglich. In 40 russischen Strafkolonien würden die Rechte der Gefangenen „auf das Gröbste“ verletzt. „Die Verwaltung löst alle Problem mit Gewalt.“ Dadurch komme es immer wieder zu Aufständen. Zur Aufklärung der Vorfälle schickte Justizminister Wladimir Ustinow eine hochrangige Experten-Kommission in die Strafkolonie. Generalstaatsanwalt Juri Tschaika nahm die Untersuchung der Vorfälle unter seine persönliche Kontrolle.ENDE Ulrich Heyden


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