Russland

Putin in Teheran

Besuch ohne Todeskommando

Moskau (n-ost) - Dann hatte Wladimir Putin sich doch nach Teheran gewagt. Dort tagte gestern die Konferenz der Anrainer des Kaspischen Meeres, unter dessen Boden ungeheure Mengen an Öl und Gas lagern. Putin nahm an ihrer Konferenz teil.

Gekommen waren die Präsidenten von Russland, dem Iran, Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan. Es war die erste Reise eines russischen Staatsoberhauptes nach Teheran seit Stalins Besuch 1943. Nach dem Treffen der Anrainer-Staaten stand ein Gespräch zwischen Putin und dem iranischen Präsidenten auf dem Programm.

Am Sonntag hatte die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf russische Geheimdienstkreise berichtet, in Teheran warteten mehrere "Todeskommandos", um den Kreml-Chef umzubringen. Russische Fernsehanstalten durften den russischen Präsidenten aus Sicherheitsgründen nur von hinten filmen. Dies berichtete der sichtlich empörte Korrespondent des Staatskanals "Rossija" in den Mittagsnachrichten.

"Vertiefung der Zusammenarbeit"

Die Kaspi-Staaten liegen seit Jahren im Streit über die Aufteilung der Rechte am rohstoffreichen Kaspischen Meer. Der Territorialstreit war durch den Zerfall der Sowjetunion akut geworden. Der Iran, dem nur 13 Prozent der Küste des Kaspischen Meeres gehören, will das Binnenmeer zu gleichen Teilen aufteilen. Russland, Kasachstan und Aserbaidschan fordern hingegen, es entsprechend der jeweiligen Küstenlänge der Länder aufzuteilen. In dieser Frage gab es auf der Konferenz keinen Durchbruch.

Die Konferenz-Teilnehmer beschlossen jedoch eine Resolution, nach der sie wirtschaftlich verstärkt zusammenarbeiten wollen. "Das reiche Potential der Kaspischen Region" solle "effektiv genutzt" werden. Besonders im Energie- und Transportsektor sollten "der Dialog und die Zusammenarbeit vertieft" werden. Auch von der Schaffung "internationaler Transportkorridore" ist in diesem Zusammenhang die Rede.

Sollte dies tatsächlich mehr als eine Absichtserklärung sein, dann ständen die Chancen für den Bau der von Kasachstan und Turkmenistan geplanten Gaspipeline nach Europa gut. Die beiden Länder wollen am Boden des Kaspischen Meeres eine Pipeline bauen, die Gas unter Umgehung Russlands über Aserbaidschan nach Europa bringt. Der Analytiker Chris Weafer vom russischen Unternehmen Uralsib erklärte gegenüber der "Moscow Times", Russland habe an einer "kurzfristigen Lösung" des Territorial-Streits um das Kaspische Meer kein Interesse, weil dadurch eine Pipeline unter Umgehung Russlands möglich werde.

Putin: Keine Weiterverbreitung von Atomwaffen

Putin bezeichnete den Gipfel der fünf Kaspi-Anrainer als Erfolg. Man sei "nicht in allem einer Meinung" gewesen. Doch "es ist vollkommen klar, dass der Wille zum Konsens vorhanden ist." Russland ist das einzige Land, welches dem Iran beim Bau seines ersten Atomkraftwerkes Bushehr hilft. Doch Moskau hat die Fertigstellung des AKW, die eigentlich für 1999 geplant war, immer wieder hinausgezögert. Möglicherweise wollte die russische Führung den Iran auf diesem Wege dazu bewegen, von der Urananreicherung Abstand zu nehmen. Denn auch sie hat kein Interesse daran, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt. Andererseits ist Moskau durchaus daran interessiert, den Iran in seine Interessenssphäre einzubinden, um so gegenüber den USA stärker auftreten zu können.

Putin erklärte, die fünf Anrainer des Kaspischen Meeres hätten sich geeinigt, Atomwaffen in der Region nicht weiterzuverbreiten. Allerdings, so der Kreml-Chef, hätten die Staaten der Region das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie. Der Kreml-Chef gab die Bildung einer Wirtschaftsorganisation der Kaspi-Anrainer bekannt. Der erste Schritt dazu soll eine Wirtschaftskonferenz der Anrainer-Staaten im nächsten Jahr in Moskau sein.

Auch der iranische Präsident Mahmud Ahmadineschad zeigte sich zufrieden. Die Unterzeichnung der Abschlusserklärung bedeute "Widerstand gegen die, welche gegen die Interessen der Kaspischen Region auftreten."

Gerüchte über Todeskommandos

Die Moskauer Zeitung "Kommersant" versuchte unterdessen, die Anschlagsdrohungen gegen Putin aufzuhellen. Das Blatt zitierte ein Papier des amerikanischen Analyse-Zentrums Stratfor. Danach waren die USA bereit, den Russen "alle Informationen zu übergeben", nur um Putin von seiner Reise nach Teheran abzuhalten. Nikolai Slobin, Direktor eines russischen USA-Studienzentrums, erklärte gegenüber dem Blatt, die Meldung über einen geplanten Anschlag auf Putin hänge mit dem Machtkampf "verschiedener Clans" in Russland zusammen. Jemand wollte Putin ein Signal geben, dass von jedem seiner Schritte "sehr viel abhänge". Das iranische Außenministerium hatte die Anschlags-Meldung sofort als gegenstandslos bezeichnet. Tatsächlich ist unklar, welche Gruppe im Iran ein Interesse an dem Tod von Putin haben könnte.

ENDE

Ulrich Heyden


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