Russland

Unruhen in Inguschetien

In der Republik an der Grenze zu Tschetschenien sind Morde an der Tagesordnung

Moskau (n-ost) - Am Mittwoch lösten russische Polizisten und Soldaten des Innenministeriums mit Warnschüssen eine Kundgebung in Nasran, der Hauptstadt der moslemisch geprägten Teilrepublik Inguschetien auf. Nach einem Bericht von "Radio Echo Moskwy" hatten sich in der Innenstadt der inguschetischen Hauptstadt Nasran über 1.000 Menschen versammelt um gegen die Entführung von zwei Männern zu demonstrieren. Nach Angaben von Familienangehörigen wurden die Brüder Auschew - beide tragen den Vornamen Magomed - in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny von Mitarbeitern des inguschetischen Geheimdienstes entführt und nach Nasran gebracht. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurde in Inguscheiten seit 2002 insgesamt 158 Menschen entführt. Bei der Jagd auf Islamisten gehen die Sicherheitskräfte oftmals wahllos vor.

Die Demonstranten in Nasran blockierten mit ihren Autos die Straßen und die  Eisenbahnlinie nach Moskau. Der Innenminister von Inguschetien, Musa Medow, versuchte mit dem Demonstranten zu sprechen. Wie die Internetzeitung newsru.com berichtet, gingen aber aufgebrachte Frauen auf den Minister los, so dass dieser das Weite suchen musste. Als dann Jugendliche die Sicherheitskräfte mit Steinen bewarfen, eskalierte die Situation. Der russische Fernsehkanal ORT zeigte, wie die Versammlung durch Warnschüsse von Soldaten des Innenministeriums aufgelöst wurde.

Wiedervereinigung wie zu Sowjetzeiten?

Putins Beauftragter für den Nordkaukasus, Dmitri Kosak, erklärte die Entführung der beiden Männer werde von der Staatsanwaltschaft untersucht. Die Entführung könne verschiedene Gründe haben, eine "wirkliche Entführung" und eine "Inszenierung". Was er damit meinte, erklärte er nicht.

Die Situation in Inguschetien ist äußerst angespannt. Obwohl das russische Innenministerium im letzten Monat 2.500 zusätzliche Polizisten in die Teilrepublik geschickt hat, vergeht fast kein Tag an dem nicht Polizisten und Geheimdienst-Mitarbeiter aus dem Hinterhalt von Unbekannten erschossen werden.

Die Situation eskalierte als Mitte Juli eine Mordwelle gegen Angehörige nationaler Minderheiten, vor allem Russen, begann. Putins-Beuftragter, Dmitri Kosak, erklärte, die Mordserie habe einen politischen Hintergrund. "Man versucht mit diesen uns mit diesen Gräueltaten zu bestimmten Entscheidungen zu bewegen." Beobachter halten es dagegen nicht für ausgeschlossen, dass die Sicherheitskräfte durch ein härteres Vorgehen selbst die Situation in Inguschetien anheizen. Russische Medien berichten, im Kreml existiere der Plan, Inguschetien wie zu Sowjetzeiten wieder mit Tschetschenien zu vereinen. Anfang der 90er Jahre hatten sich Inguschetien und Tschetschenien getrennt und jeweils für unabhängig erklärt. Bei einer Wiedervereinigung fiele Inguschetien unter das brutale Regime des von Moskau eingesetzten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow. Der Kreml bestreitet allerdings derartige Absichten.

Konflikt weitet sich aus

Die Eskalation in Inguschetien begann am 16. Juli. An diesem Tag wurde die russische Lehrerin Ljudmilla Terechina und ihre beiden Söhne von Unbekannten erschossen. Doch damit nicht genug. Auf der Beerdigung der Russin explodierte eine Bombe. Acht Menschen wurden verletzt. Am 30. August schossen Unbekannte in das Haus der russischen Lehrerin Vera Dragontschuk. Ihr Mann und die ihre beiden Söhne wurden getötet. Anfang September wurde der inguschetischen Hauptstadt Nasran die russische Chefärztin des zentralen Bluttransfusions-Dienstes erschossen. Außerdem wurden ein Roma und seine beiden Söhne sowie ein Angehöriger der koreanischen Minderheit und sein Sohn erschossen.

Durch den Tschetschenienkrieg und die katastrophale soziale Situation im Nordkaukasus hat sich die Jugend radikalisiert. Viele besuchen die Dschamaas, religiöse islamistische Gruppen, die sich in Privatwohnungen versammeln. Die Beamten im Nordkaukasus gelten als korrupt. 70 Prozent der jungen Männer sind ohne Arbeit und Ausbildung. Das macht es den islamistischen Gruppen leicht, neue Anhänger zu rekrutieren.

Top-Terrorist getötet

Auch in der östlich von Tschetschenien gelegenen russischen Teilrepublik Dagestan vergeht kein Tag ohne bewaffnete Auseinandersetzungen mit Islamisten. Anfang der Woche hatte das russische Fernsehen mit großen Berichten über den Tod des Top-Terroristen Rappani Chalilow berichtet. Er war zusammen mit einem Mitkämpfer nach einem zehnstündigen Feuergefecht getötet worden.

ENDE

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Ulrich Heyden


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