Russland

Rücktritt, um die Macht zu sichern

Mit dem Rücktritt des russischen Ministerpräsidenten Fradkow werden auch die Weichen für die Putin-Nachfolge gestelltMoskau (n-ost) - Am Freitag wird die Duma über einen neuen russischen Ministerpräsidenten abstimmen. Nach dem überraschenden Rücktritt von Ministerpräsident Michail Fradkow und seinem Kabinett schlug der russische Präsident Wladimir Putin der Duma den Chef der Finanzkontrollbehörde "Rosfinmonitoring", den 66 Jahre alten Wiktor Subkow als neuen Regierungschef vor. Wenn Subkow bestätigt wird, woran niemand zweifelt, schlägt er dem Präsidenten die neuen Minister zur Bestätigung vor.Bekannte aus alten TagenSubkow und Putin kennen sich gut. Die Beiden arbeiteten Anfang der 90er Jahre zusammen in der Stadtverwaltung von St. Petersburg. Noch am Montagmorgen gab es Gerüchte, der Nachfolger von Fradkow werde der stellvertretende Ministerpräsident Sergej Iwanow sein, der auch als einer der möglichen Putin- Nachfolger gilt. Im März 2008 finden in Russland Präsidentschaftswahlen statt. Die Wirtschaftszeitung "Wedomosti" hatte gestern unter Berufung auf "eine Quelle im Kreml" berichtet, Sergej Iwanow könne "schon bald" Regierungschef werden.Komplizierter MachtwechselMit dem Rücktritt der russischen Regierung beginnt in Russland eine komplizierte Operation für einen Wechsel im Präsidentenamt. Putin, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder als Präsident kandidieren kann, wird auch nach seinem Amtsende die Geschicke des Landes mit lenken. Darin sind sich die Beobachter einig. Vielleicht wird Putin bei den Wahlen 2012 erneut für das Präsidentenamt kandidieren.Für Putin, der sich nach Meinung von Beobachtern bereits für einen Nachfolger entschieden hat, kommt es jetzt vor allem darauf an, den Namen dieses Nachfolgers möglichst lange geheim zu halten, weil sich die russische Machtstrukturen sonst sofort auf den Nachfolger ausrichten würden und der Kreml-Chef damit praktisch schon vor der Präsidentschaftswahl entmachtet würde.Ein paar Minister auf der AbschusslisteDer Politologe Konstantin Simonow vom "Zentrum für politische Konjunktur" hält es für möglich, das Putin den Finanzexperten Subkow auch zu seinem Nachfolger machen will. Putin war, bevor er im Jahr 2000 Präsident wurde, selbst wenige Monate zuvor von Brosi Jelzin zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Niemand hatte den unscheinbaren Ex-Geheimdienstmann damals auf der Rechnung, ähnlich wie nun Subkow. Möglich ist aber auch, dass Subkow, der bisher keine Ambitionen auf das Präsidentenamt zeigte, nur Putins Interessen in der Regierung vertreten soll und einige Minister, die beim Kreml angeeckt waren, austauschen wird. Als Abschusskandidaten werden in den russischen Medien der Minister für wirtschaftliche Entwicklung German Gref und Gesundheitsminister Michail Surabow genannt. Gref ist mit seinen liberalen Ansichten im Kreml angeeckt, Surabow in Skandale bei der Medikamentenversorgung für Rentner verwickelt.Rücktritt, damit Putin freie Hand hatMinisterpräsident Michail Fradkow hatte sein Amt vor dreieinhalb Jahren übernommen. Bis dahin hatte er Russland bei der EU in Brüssel vertreten. Fradkow begründete seinen Rücktritt bei einem Treffen mit Putin im Kreml mit den Erfordernissen der Vorwahlzeit. "Ich mache meinen Platz als Vorsitzender der Regierung frei, damit sie keine Beschränkungen haben, bei der Annahme von Entscheidungen, die Machtkonfiguration in Verbindung mit den kommenden politischen Ereignissen auszurichten." Putin nahm den Ball auf und antwortete Fradkow: "Vielleicht haben sie Recht, dass wir gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie wir die Machtstrukturen und die Verwaltungen aufbauen, damit sie besser der Vorwahlzeit entsprechen und das Land vorbereiten auf die Zeit nach den Parlamentswahlen und den Präsidentschaftswahlen im März 2008."Starker Mann IwanowBisher galten die beiden stellvertretenden Ministerpräsidenten, Sergej Iwanow und Dmitri Medwedjew als die wahrscheinlichsten Putin-Nachfolger. Dabei hatte Iwanow den zweiten Kronprinzen, Medwedjew, in den letzten Monaten bei Meinungsumfragen überflügelt. Das Fernsehen hatte ihn viel häufiger an der Seite von Putin gezeigt, als Medwedjew. Iwanow, der in der Regierung für den Aufbau von großen Staatsunternehmen im Technologie-, Luftfahrt- und Rüstungsbranche zuständig ist, hatte den Kreml-Chef auf Reisen in die Provinz begleitet und mit ihm gemeinsam den Moskauer Luftfahrtmesse besucht. Dmitri Medwedjew der auch Chef des Gasprom-Aufsichtsrates ist und in der Regierung für die Umsetzung der nationalen Sozial-Sonderprogramme zuständig war, zeigte sich mit Putin dagegen nur einmal, beim Stadtgeburtstag von Moskau.Treuer Gefährte IwanowWenn der ehemalige Verteidigungsminister Sergej Iwanow tatsächlich der Nachfolger von Putin wird, dann wäre das alles andere als verwunderlich. Putin und Iwanow kennen sich aus alten Tagen. Beide arbeiteten für die sowjetische Auslandsspionage. Der gelernte Philologe Iwanow war in Finnland, Kenia und Großbritannien im Einsatz. Damals kreuzten sich die Wege von Putin und Iwanow. 1998, als Putin Direktor des russischen Inlandgeheimdienstes FSB wurde, machte er seinen Kollegen Iwanow zu seinem Stellvertreter. 2001 wurde Iwanow vom Kreml-Chef zum Verteidigungsminister berufen.Wer ist der dritte Kandidat?Präsidenten-Berater Igor Schuwalow hatte angekündigt, dass es bei den Präsidentschaftswahlen - zu denen Putin nicht mehr antreten will - möglicherweise noch einen dritten, bisher nicht bekannten Kandidaten geben wird. Wer aber dieser dritte Mann sein könnte, darüber gab es bisher nur Spekulationen. Viktor Subkow war bisher nicht als Putin-Nachfolger im Gespräch. Gehandelt wurden dagegen die Namen vom Chef der russischen Eisenbahn, Wladimir Jakunin, sowie einigen Gouverneure wie Walentina Matwijenko, der Gouverneurin von St. Petersburg, Aleksandr Tkatschew, dem Gouverneur des südrussischen Gebiets Krasnodar wo die Winterolympiade von Sotschi stattfinden soll und Aleksandr Chloponin, Gouverneur des sibirischen Krasnojarsk-Gebietes, der früher Direktor des weltgrößten Nickel-Kombinats im nordrussischen Norilsk war.Die russische Öffentlichkeit nahm den Rücktritt der Regierung gelassen auf. Auch die Duma-Wahlen lassen die Leute kalt. Bisher kann sich in Russland immer noch Niemand vorstellen, dass Putin einmal nicht mehr Präsident sein wird.ENDE---------------------------------------------------------------------------
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Ulrich Heyden


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