Putins Kronprinzen
Putins KronprinzenMoskau (n-ost) – Wenn in Russland jetzt Präsidentschaftswahlen wären, würde der ehemalige russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow 37 Prozent der Stimmen bekommen, gefolgt von dem Vorsitzenden des Gasprom-Direktorenrates Dmitri Medwedjew, auf den 29 Prozent der Stimmen entfallen würden. Diese Daten ermittelte das vom Kreml unabhängige Meinungsforschungsinstitut „Lewada-Zentrum“. Iwanow und Medwedjew gelten als die beiden Kronprinzen mit den meisten Chancen auf die Putin-Nachfolge. Präsidenten-Berater Igor Schuwalow hat zwar angekündigt, dass es bei den Wahlen im März nächsten Jahres – zu denen Putin nicht mehr antreten will - möglicherweise noch einen dritten, bisher nicht bekannten Kandidaten geben wird. Wer aber diese dritte Mann sein könnte, darüber gibt es bisher nur Spekulationen.Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass der Kreml-Chef noch mal antritt. Eine erneute Kandidatur des Amtsinhabers und die dafür nötige Verfassungsänderung wäre aber – so die übereinstimmende Meinung von Beobachtern - nur möglich, wenn es in Russland zu einer Krise kommt, so wie vor den Präsidentschaftswahlen 2000, als der radikale Flügel der tschetschenischen Separatisten um Schamil Basajew in Dagestan einfiel und in Moskau Terrorakte gegen Wohnhäuser verübt wurden. Wie es zu diesen Terrorakten kam, ist bis heute nicht endgültig aufgeklärt. Damals präsentierte sich Putin als derjenige, der mit Unsicherheit und Chaos aufräumt.Bekannte aus alten TagenWenn der ehemalige Verteidigungsminister Sergej Iwanow tatsächlich der Nachfolger von Putin wird, dann wäre das alles andere als verwunderlich. Putin und Iwanow kennen sich aus alten Tagen. Beide arbeiteten für die sowjetische Auslandsspionage. Der gelernte Philologe Iwanow war in Finnland, Kenia und Großbritannien im Einsatz. Damals kreuzten sich die Wege von Putin und Iwanow. 1998, als Putin Direktor des russischen Inlandgeheimdienstes FSB wurde, machte er seinen Kollegen Iwanow zu seinem Stellvertreter. An der Seite von Putin kletterte Iwanow weiter nach oben. 2001 machte ihn der Kreml-Chef zum Verteidigungsminister. Iwanow war der erste Zivilist auf diesem Posten. Im Februar 2007 wurde Iwanow zum „ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten“ ernannt. Die gleiche Funktion hatte damals schon der andere Kronzprinz, Dmitri Medwedjew.Iwanow machte sich als Verteidigungsminister vor allem für die Modernisierung der Armee und der Rüstungsindustrie stark. Die Rüstungsindustrie protzte im letzten Jahr mit einem Export-Rekordergebnis von sechs Milliarden Dollar. Auch das erste russisch-chinesische Manöver, bei dem eine Luftlandeoperation gegen Separatisten geübt wurde, fand unter der Ägide Iwanow statt. Vier Fernseh-HeldenWährend Iwanow in der Bevölkerung als Hardliner gut ankommt, hat Medwedjew das Image des sozialen Wohltäters. Im vergangenen Jahr überwachte er die Umsetzung der nationalen Förderprogramme für den Gesundheits- und Bildungsbereich sowie die Landwirtschaft. Bei seinen Besuchen in Schulen und Kolchosen wurde er ständig von den Kamerateams des Staatsfernsehens begeleitet. Auch Sergej Iwanow bekommt viel Sendezeit. Er profiliert sich mit Besuchen in Rüstungs- und Hochtechnologie-Unternehmen. Putin, Iwanow, Medwedjew und Ministerpräsident Fradkow, diese vier Politiker beherrschen die Nachrichtensendungen. Auf einem Wirtschaftsforum in St. Petersburg legte Iwanow seine wirtschaftspolitischen Ziele dar. Danach setzt der ehemalige Verteidigungsminister auf die wiedererstarkten Staatsbetriebe in der Energie-, Rüstungs- und der Luftfahrtindustrie. Vor allem mit diesen Sektoren könne Russland bis zum Jahre 2020 zu einer der fünf führenden Wirtschaftsnationen werden, meint Iwanow. Putins Kronprinz nannte allerdings auch die Hindernisse: Die niedrige Effektivität in Wirtschaft und staatlicher Verwaltung, die geringe Mobilität der Bevölkerung sowie den unzureichenden Schutz der Eigentumsrechte. „Sollen sie dort schreien und im Kreis marschieren.“Nach Meinung von Iwanow ist Russland ein „freier und demokratischer Staat“. Demonstrationen und Kundgebungen will er allerdings auf spezielle Plätze - ähnlich dem Hyde-Park in London - verbannen, wie er auf einem Treffen mit kremltreuen Jugendorganisationen im Juni erklärte. „Sollen sie dort schreien und im Kreis marschieren.“Von Journalisten musste sich Iwanow schon so manche kritische Frage gefallen lassen. Als Fernsehreporter ihn im Januar 2006 auf den Rekruten Andrej Sytschow ansprachen – dem Wehrpflichtigen mussten, nach Quälereien durch andere Soldaten in der Sylvesternacht, beide Beine und die Geschlechtsteile amputiert werden - antwortete der Ex-Spion in Putischer Kaltschnäuzigkeit. „Ich glaube, dass es dort nichts Ernstes gibt. Andernfalls hätte ich auf jeden Fall davon gehört.“ Noch ein anderer Skandal machte Iwanow zu schaffen. Sein Sohn Aleksandr hatte im Mai 2005 eine alte Frau überfahren, die Zeugenaussagen zufolge bei Grün über einen Zebrastreifen ging. Die Frau starb, Iwanows Sohn wurde freigesprochen. Die Fernsehjournalistin Olga Romanowa, die über den Fall beim russischen Kanal Ren TV berichtete, wurde im November 2005 entlassen.
Medwedjew moderaterAuch den zweiten Kronprinzen, Dmitri Medwedjew, kennt Putin aus alten Tagen. Der Professorensohn und gelernte Jurist arbeitete Anfang der 90er Jahre unter Putin in der Stadtverwaltung von St. Petersburg. Medwedjew setzte in seiner Grundsatzrede auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg etwas andere Schwerpunkte als Iwanow. Der Professorensohn sprach sich etwas nebulös für die Entwicklung der „Humanresourcen“ aus. Gegenüber dem Westen gibt sich Medwedjew diplomatischer als Iwanow. „Zwischen Russland und dem Westen gibt es keine fundamentalen Differenzen, es gibt nur einige Nuancen und die muss man nicht zu gegenseitigen Vorwürfen aufbauschen.“ Die Kreml-Sprechweise von der „souveränen Demokratie“ hat Medwedjew öffentlich kritisiert. Der von Putin-Berater Wladislaw Surkow ausgedachte Begriff, der Russlands „besonderen Weg“ begründen soll, sei - so Medwedjew - „schädlich“ und „irreführend“.ENDE---------------------------------------------------------------------------
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Ulrich Heyden