Und die ganze Welt schaut zu
Im Kampf gegen den Sextourismus setzt Dubi nun auf Kameras – und das Internet.Dubí (n-ost) Die Geschichte könnte sehr lustig sein, wenn sie nicht so traurig wäre. Lustig ist sie eigentlich, weil sie von jener Gewitztheit erzählt, die die Tschechen so gerne (und oft zu Recht) für sich beanspruchen. Und traurig, weil sie davon zeugt, dass die tschechische Politik sich zwar monatelang mit Ränkespielen und Polit-Affairen befasst, es aber in Jahren nicht schafft, wichtige Gesetze zu verabschieden. Die Stadt Dubí (Eichwald) zum Beispiel, wartet sehr dringend auf ein solches Gesetz, das Gesetz über die Prostitution. Seit der Wende zählt die 8000-Seelen-Gemeinde am Fuße des Erzgebirges zu den Metropolen des „horizontalen Gewerbes“.Und genauso lange kämpft die Stadt verzweifelt gegen den allgegenwärtigen Sex, die benutzten Kondome und die vorwiegend deutschen Männer, deren Autos am Wochenende vor den Bordellen entlang der Hauptstraße, der E55, stehen.
Bordellstreife
Günter BartosVieles hat Dubí in den letzten Jahren ausprobiert. Immer wieder hat die Stadt die Regierung in Prag aufgefordert, die Prostitution endlich zu regeln – doch bislang ist jedes Gesetz am Widerstand der Christdemokraten gescheitert. Deshalb wird die Gemeinde im Kampf gegen das Sexgeschäft nun zu einem recht unkonventionellen Mittel greifen: Die Kunden der Bordelle werden künftig per Kamera gefilmt. Und die Bilder landen dort, wo auch deutsche Ehefrauen, Nachbarn und Geschäftspartner sie sehen können: Im Internet.Angreifen, wo es weh tut„Wir haben uns einfach überlegt: An welcher Stelle sind die Bordelle am verwundbarsten?“ Wenn Petr Pipal über den Sextourismus spricht, klingt es genau so, wie wenn er über die Stadtreinigung berichtet: Nüchtern, sachlich, ohne Manschetten. Seit Herbst ist der dunkelhaarige, schlanke Mann Bürgermeister von Dubi. Und seither hat er tüchtig aufgeräumt, vor allem in den städtischen Finanzen. Eine ähnliche Rosskur schwebt Pipal jetzt auch für die E55 vor. „Wir wollen die Prostitution in Dubi endgültig beseitigen“, sagt der Bürgermeister. Dabei ist die Lage schon heute längst nicht mehr zu vergleichen mit dem, was sich Mitte der neunziger Jahre in Dubi abgespielt hat.Dicht an dicht standen damals junge Frauen in leichter Bekleidung direkt an der Straße. Immer mehr normale Wohnhäuser verwandelten sich in nur scheinbar harmlose „Pensionen“. In manchen Häusern entstanden große Schaufenster, in denen sich junge Frauen Abend für Abend halbnackt zur Fleischbeschau darboten. Inzwischen hat die Stadt das „Anbieten sexueller Diensteistungen auf öffentlichem Gelände“ verboten, der Straßenstrich ist so gut wie verschwunden. Die neue Autobahn von Dresden nach Prag hat den Durchgangsverkehr auf der E55 derart drastisch reduziert, dasss nicht nur viele „Pensionen“ aufgegeben haben. Selbst der „Erotic-Shop“, der noch vor kurzem Videos, Vibratoren und Lackunterwäsche zu „Superpreisen“ feilbot, steht mittlerweile wieder leer. Die paar Bordelle, die noch immer existieren, sind dem Bürgermeister dennoch ein Dorn im Auge. Sklaverei der Nachbarschaft„Auf den Parkplätzen der Bordelle herrscht nachts dauernd Lärm, viele Männer kommen dort schon leicht angetrunken hin“, sagt Pipal. „Und Hausbesitzer werden hier zu Sklaven ihrer Immobilien, denn natürlich können Sie ein Haus neben einem Puff nicht verkaufen.“ Kontrollen des Finanz- und Gesundheitsamtes sowie die gelegentlichen Razzien der Polizei stellten für die Bordellbetreiber lediglich eine Belästigung dar – vertreiben könne man die Prostitution auf diese Weise nicht. „Und deshalb sind wir darauf gekommen, durch die Kameras und das Internet jene Grundvoraussetzung zu zerstören, die vor allem die deutschen Männer hierherlockt“, sagt Pipal. „Und das ist die Anonymität.“ Schon im Juli werden gegenüber den beiden letzten großen Nachtclubs also zwei Kameras angebracht, die alles, was sich an den Einfahrten abspielt, direkt ins Internet übertragen. Die Tschechen selbst haben sich längst an derartige Kamera gewöhnt. In mehr als 130 Städten hat die Polizei bereits Überwachungssysteme installiert, die bei der Aufklärung von Straftaten wertvolle Hinweise liefern sollen. Beim Besuch eines Bordells gefilmt und danach öffentlich bloßgestellt zu werden, ist allerdings auch in Tschechien starker Tobak. Und das weiß man auch in Dubi.Begrenzter ErkenntniswertDa Prostitution an sich in Tschechien nicht strafbar ist, wird die Polizei niemanden belangen, der auf dem Video zu sehen ist. „Außerdem wird das Gesicht des Gefilmten nicht zu erkennen sein. Eventuell machen wir sogar das Autokennzeichen unkenntlich“, sagt Tomas Pykal, der Komandant der Stadtpolizei von Dubi. Denn sobald eine gefilmte Person eindeutig zu identifizieren ist, greifen zahlreiche Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. Welchen Sinn aber haben die Kameras, wenn die Bordellbesucher letztlich auch im Internet gar nicht eindeutig zu erkennen sein werden?Bürgermeister Pipal lacht. „Meine Frau erkennt mich auch, ohne mein Gesicht zu sehen – an meinem Gang, an meinen O-Beinen“, behauptet er und wird dann sehr ernst. Natürlich diene das Ganze vor allem zur Abschreckung. „An den Ortseingang stellen wir ein Schild, auf dem in deutscher Sprache steht, dass Prostitution hier verboten ist und dass wir Kameras haben.“ Wer trotzdem unbedingt ins Bordell wolle, werde das dann hoffentlich woanders tun, sagt Pipal. Und dann erzählt er, dass er das tschechische Parlament nun doch endlich dazu bringen will, ein Gesetz zu verabschieden, das den Kommunen Mittel zur Lizensierung und Regelung der Prostitution gibt. Das viele Geld, das die Kamera kosten werden, könnte Pipal nämlich auch für andere Zwecke gut gebrauchen. ENDE
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