Kasachstan

Machtkampf entzweit Präsidentenfamilie

Ein seit Monaten schwelender Skandal hat in Kasachstan jetzt zu einem offenen politischen Eklat zwischen Präsident Nursultan Nasarbajew und seinem Schwiegersohn Rachat Aliew geführt. Aliew, Ehemann von Nasarbajews ältester Tochter Dariga Nasarbajewa, wurde am Samstag mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als kasachischer Botschafter in Österreich und Sonderbotschafter bei der OSZE enthoben. Eine internationale Fahndung nach ihm ist ausgerufen.

Grund ist laut kasachischem Innenministerium der Verdacht, dass Aliew an der Entführung zweier Manager der Nurbank, dem siebtgrößten Geldinstitut des Landes, im Januar dieses Jahres beteiligt gewesen sei. Aliew selbst ist einer der größten Anteilseigner der Nurbank. Im Zuge der Ermittlungen der kasachischen Polizei und des kasachischen Geheimdienstes KNB waren bereits vergangene Woche der Fernsehsender KTK und die Wochenzeitung Karavan geschlossen worden. Sowohl KTK als auch Karavan gehören Aliew und seiner Frau Dariga Nasarbajewa. Den Medien wurde in der Vergangenheit vorgeworfen, vorrangig in russischer Sprache zu senden und nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, eine mindestens 50-prozentige Kasachisch-Quote einzuhalten. Zudem waren am Montag die Internetseiten von Karavan und Kazakhstan Today, beide Teil des Aliew-Medienimperiums, nicht erreichbar.

Dass Aliew in den Nurbank-Skandal verwickelt ist, vermuten kasachische Medien bereits seit Ende Januar. Damals hatten nationale Sicherheitskräfte die Bank gestürmt, um zwei angeblich als Geiseln genommene Manager der Nurbank zu befreien. Abilmaschen Gilimow, bis Januar Vorstandschef der Nurbank, beschuldigt Aliew jetzt in einem offenen Brief an die Staatsanwaltschaft, ihn und den damaligen Nurbank-Vizepräsidenten Scholdas Timraliew im Januar entführt, misshandelt und erpresst zu haben. Timraliew ist darüber hinaus seit Januar spurlos verschwunden. Bisher hatten kasachische Behörden davon gesprochen, der Manager sei "auf der Flucht" vor einer Finanzprüfung.Seitens der Regierung waren Vermutungen, dass Rachat Aliew eine Entführung veranlasst haben könnte, stets vehement zurückgewiesen worden. Die Presse wurde angewiesen, sich bei Berichten über den Fall zurückzuhalten. Doch seit heute ist Alijew per Strafverfahren und Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Er wird nun außerdem verdächtigt, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. "Der stellvertretende Generalstaatsanwalt und ein kasachischer Interpolvertreter sind nach Wien gereist", sagte Bagdad Koschachmetow, Pressesprecher des kasachischen Innenministeriums. Inzwischen ist der frühere Botschafter untergetaucht.

Aliew selbst war im Februar als kasachischer Vize-Außenminister abgesetzt und als Botschafter nach Wien entsandt worden. In einer Stellungnahme auf der zu seinem Imperium gehörenden Internetseite Kazakhstan Today bestritt der Präsidentenschwiegersohn, etwas mit dem Verschwinden des Nurbank-Managers zu tun zu haben. Gleichzeitig sieht der Geschäftsmann und Milliardär seine demokratischen Grundrechte verletzt. Das jetzige Ermittlungsverfahren sei eine Reaktion auf seine Ambitionen, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in Kasachstan im Jahr 2012 zu kandidieren, so Aliew. Schon die Vorfälle bei der Nurbank Ende Januar bezeichnet er als eine gegen ihn gerichtete "Warnung". Kurz zuvor habe er Präsident Nasarbajew über seine geplante Kandidatur in Kenntnis gesetzt.

Erst in der vergangenen Woche hatte sich Nasarbajew mit einer Verfassungsänderung theoretisch das Präsidentenamt auf Lebenszeit gesichert. Bisher war die Amtszeit auf zwei Wahlperioden von je sieben Jahren beschränkt. Bis 2012 ist Nasarbajew, der im Dezember 2005 wieder gewählt wurde und bisher einziger Präsident des seit 1991 unabhängigen Kasachstans ist, regulär im Amt. Die umfassende Verfassungsänderung war von der kasachischen Regierung als weiterer Schritt der Demokratisierung des Landes bezeichnet worden. So wurde das Zweikammern-Parlament um 38 Sitze erweitert. Gleichzeitig wächst die Anzahl der Senatssitze, deren Inhaber allerdings nun durch den Präsidenten benannt werden. Bei Parlamentswahlen dürfen künftig nur noch Parteien und keine Einzelpersonen antreten. Der Premierminister wird vom Präsidenten nur nach Abstimmung mit dem Parlament ernannt. Offiziell wird das Parlament damit gestärkt und das Land formell zu einer präsidial-parlamentarischen Republik.

Die USA begrüßten die Verfassungsänderung als "einen Schritt in die richtige Richtung". Kasachische Oppositionsparteien dagegen kritisierten die Neuerungen: "Es ist absurd und heuchlerisch, wenn Bush Putin in Sachen Demokratie zu einer Zeit belehrt, wenn in Russlands Nachbarland eine solche Konzentration der Macht erfolgt", kommentiert der kasachische Oppositionspolitiker Tulegen Schukejew. So diene die Verfassungsänderung lediglich dazu, die Macht von Präsident Nasarbajew zu festigen.

Der Journalist Sergej Duwanow sprach von einer "Baschisierung" Kasachstans, angelehnt an Turkmenbaschi, den "Führer alle Turkmenen", wie sich der verstorbene turkmenische Diktator Saparmurat Nijasow genannt hatte. "Bei der Verfassungsänderung haben die Abgeordneten sich mit keiner Silbe für die Meinung der kasachischen Gesellschaft interessiert", kritisierte Duwanow. Der bekannte unabhängige Journalist wurde aufgrund seiner Äußerungen verhaftet. Für den 3. Juni hat die kasachische Oppositionspartei Naghys Ak Schol eine Demonstration beantragt.

Gerade die Tatsache, dass Kasachstan 2009 den OSZE-Vorsitz übernehmen will, sorgt von internationaler Seite für Kritik an der aktuellen politischen Situation im Land. "Trotz des offensichtlichen Wunsches der kasachischen Regierung, als gesetzmäßig betrachtet zu werden, unternimmt die Führungsriege Schritte, die das Land weiter von der Demokratie entfernen", kommentiert Jennifer Windsor, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Freedom House. Beim letzten Treffen des OSZE-Ministerrats wurde die Entscheidung über Kasachstans Vorsitz zunächst vertagt. Deutschland unterstützt die Kandidatur Kasachstans, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem letzten Besuch in Kasachstan im März betonte. Kasachstan ist eines der ressourcenreichsten Länder weltweit, weist seit Jahren ein Wachstum von etwa zehn Prozent jährlich auf und gilt zudem als das politisch stabilste Land in der Region. Damit ist es der wichtigste Partner Deutschlands innerhalb der Zentralasienstrategie, die derzeit im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft erarbeitet wird.


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