Der Reichtum Sibiriens - mehr als Öl und Gas
Berlin/Tjumen (n-ost) - Russland will seinen Ruf als reiner Rohstofflieferant loswerden und setzt auf eine Diversifizierung der lokalen Wirtschaft. Dabei spielen die russischen Regionen zunehmend eine wichtige Rolle. Deutlich wurde dies auf dem Wirtschaftstag der westsibirischen Region Tjumen. Der stellvertretende Gouverneur des Gebiets, Alexander Moor, warb am 26. März in der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund in Berlin um deutsche Direktinvestitionen. Über 120 deutsche kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) waren positiv überrascht von den guten Wirtschafts- und Investitionsbedingungen in der russischen Provinz. Organisiert wurde die Veranstaltung von der COMMIT GmbH in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und dem Deutsch-Russischen Forum e. V.Die Region Tjumen ist das Saudi-Arabien Russlands. 67 Prozent der Erdölvorkommen und 91 Prozent der Erdgaslagerstätten liegen in dem Gebiet, das dreißig Mal größer als das Bundesland Niedersachsen ist. Der stellvertretende Gouverneur, Alexander Moor, hatte bei der Präsentation für die deutschen Unternehmen ein besonderes Bonbon mitgebracht. Die Unternehmen, die in der Erdöl- und Gasindustrie tätig sind, bekommen acht Prozent der Ausgaben für Ausrüstungen und andere Materialressourcen aus dem Gebietshaushalt erstattet, wenn die Produkte in Tjumener Betriebe produziert wurde.
Über 120 deutsche Unternehmer besuchten den Wirtschaftstag. Foto: Tatjana BrusdaAuch bei der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Region bekamen die deutschen Unternehmer leuchtende Augen: Der Reichtum an Öl und Gas wirkt sich auf die ganze regionale Ökonomie aus. Die Infrastruktur ist gut entwickelt und die Kaufkraft der Bevölkerung ist hoch. Als wichtigster Förderstandort der russischen Erdöl- und Gasindustrie erwirtschaftet Tjumen nach Moskau das größte Bruttoregionalprodukt aller russischen Gebietskörperschaften und bietet der deutschen Wirtschaft ein erhebliches Kooperationspotential, so der Vizegouverneur. Der Außenhandelsumsatz habe mit 4,3 Milliarden Euro ein hohes Niveau und das regionale Gesamtprodukt verdoppelte sich fast von 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf geschätzte 10 Milliarden im Jahr 2007. Längst sei das Gebiet in die globale Ökonomie integriert.Dass es sich lohnt in Sibirien zu investieren, davon berichtete Olaf Bonne vom schottisch-deutschen Erdöl- und Erdgasausrüster KCA Deutag Drilling GmbH, der im Gebiet Tjumen ein Auftragsvolumen von 15 Millionen Euro hat. "In Tjumen sind wir auf keine Probleme gestoßen und waren uns immer der Hilfe der Administration gewiss", schmeichelt der Deutsche den russischen Gästen. Mittlerweile gebe es gut ausgebildetes Personal in der Region, so dass die Firma auch ein zentrales Büro in der westsibirischen Stadt errichtet habe. Für die Deutag sei nun dabei, ihre Bohranlagenflotte nach Ostsibirien, zum Beispiel an den Baikalsee, auszuweiten.Jürgen Lüders von der deutschen Firma Bentec GmbH Drilling & Oilfield Systems wollte zur teilweise das Loblied von glänzenden Wirtschaftsstandort Tjumen anstimmen. Das Investitionspotential sei riesig. Bis 2012 müssen bis zu 400 Bohranlagen ersetzt oder modernisiert werden. Auch seien die Vergünstigungen seitens der Gebietsadministration wie die Befreiung von der Vermögenssteuer, die Reduzierung der Gewerbesteuer und Pachtzinsen sowie Zuschüsse für Kreditzinsen gute Argumente für Investitionen. Aber es gebe auch Risiken. "Es gibt einen Mangel an qualifizierten Facharbeitern und Baudienstleitungen werden immer teurer", sagt Lüders. Mittelfristig bestehe das schwerwiegendste Problem in der Versorgung mit elektrischem Strom. Bisweilen hat die Firma Bentec die drohende Gefahr elegant abgewendet. Ihren Produktionsstandort für Bohrtechnik befinden sich auf dem Gelände der OAO "Tjumenskij Motorstroitell", einem ehemaligen Militärbetrieb. Der notwendige Strom kommt direkt vom Kraftwerk nebenan.
Der stellvertretende Gouverneur der Provinz Tjumen. Foto: Wilhelm SiemersAuch der stellvertretende Gebietschef, Alexander Moor, gab zu, dass es ab 2009 in der Stromversorgung Engpässe geben werde. Doch habe er die Zusicherung von Anatoli Tschubais, dem Vorsitzenden des halbstattlichen Stromkonzerns EES Rossii, dass seine Region in den nächsten fünf Jahren ununterbrochen mit elektrischem Strom versorgt werde. Zudem seien der Bau von fünf weiteren Kraftwerken geplant sowie die Modernisierung der Wärmekraft- und Fernwärmewerke Tjumen-3 und Tobolsk. Auf die Frage, welche Energieträger man verwenden werde, antwortete der Sibirier: "Gas und Kohle". Beim Ausstoß von Kohlendioxid sehen die russischen Behörden auch innerhalb des Kyoto-Protokolls einen großen Spielraum.Wie wichtig die Region Tjumen in der Arena der gesamtrussischen Politik ist, zeigt das Beispiel des ehemaligen Gouverneurs, Sergej Sobjanin. Er schaffte den beispiellosen Aufstieg zum Chef der Kreml-Administration und wird dafür sorgen, dass die strategische Entwicklung der Region nicht ins Stocken gerät. Zudem ist Sobjanin Aufsichtsratchef der Kooperation für Atombrennelemente (TWEL). Auch in Deutschland hat Sibirien eine Aufwertung erlebt. Vor allem die Politiker aus Niedersachsen schenken dem Gebiet hinter dem Ural besondere Aufmerksamkeit. "Für Niedersachsen ist Sibirien ein wichtiger Außenhandelspartner", betont der niedersächsische Minister für Wirtschaft und Arbeit, Walter Hirche. So habe der Ministerpräsident Christian Wulff im letzten Jahr die Region mit prominenten Wirtschaftsvertretern besucht. Anlässlich der Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen im April 2006 in Tomsk wurde mit dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ein Sibirisches Abkommen abgeschlossen, in dem das Jahr 2007 zum "Jahr Sibiriens in Deutschland" erklärt wurde.Die Auftaktveranstaltung findet im Rahmen der HANNOVER MESSE am 16. April statt. Der Bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten der Russischen Föderation für Sibirien, Anatoli Kwaschnin, und fast alle sibirischen Gouverneure werden zu dieser Veranstaltung Hannover reisen und die wirtschaftliche, wissenschaftliche und touristischen Potentiale Sibiriens vorzustellen. Natürlich wird der Gouverneur des Gebiets Tjumen, Wladimir Jakuschew, nicht fehlen, denn der Reichtum Sibiriens ist Russlands Reichtum.ENDE
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