US-Raketen auch im Kaukasus?
Russland fühlt sich von amerikanischen Aktivitäten gegen "Schurkenstaaten" eingekreistHamburg (n-ost) - Neben Polen und der Tschechischen Republik wollen die USA auch den Kaukasus als Basis für die Aufstellung von Mittelstrecken-Raketen nutzen. Einen bestimmten Ort nannte US-Generalleutnant Henry Obering allerdings nicht, als er entsprechende Andeutungen Anfang Februar in Brüssel machte. So wie zuvor schon die Anfragen der USA an Polen und die Tschechische Republik, so sorgt auch dieser Vorstoß der USA für Konflikte in der betroffenen Region: Aserbaidschan und Georgien, die von den Russen als Adressaten der US-Pläne ausgemacht wurden, dementierten umgehend. Nicht so die Türkei.Ins Spiel gebracht wurde darüber hinaus aber auch die Ukraine, nachdem der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko wenige Tage zuvor erklärt hatte, für die europäische Sicherheit sei eine Raketenabwehr unabdingbar. Jutschtschenkos ukrainischer Gegenspieler, Premierminister Wiktor Janukowitsch, erwiderte daraufhin, eine Beteiligung der Ukraine an dem US-Raketen-Abwehr-Schild stehe nicht zur Debatte.Russland verbindet mit den US-Raketenplänen die Angst vor Einkreisung, Ausspähung und effektiver Beeinträchtigung der eigenen Sicherheit. Auch innerhalb der EU sind die Pläne umstritten. Doch die USA betonen, die Raketen richteten sich nicht gegen Russland, sondern gegen Iran, Korea oder sonstige mögliche "Schurkenstaaten". Im Übrigen handele es sich nicht um Offensiv-, sondern um Defensivwaffen. Die Früherkennung diene allein dem Schutz vor atomarer Bedrohung der USA, Europas und - Kooperation vorausgesetzt - sogar Russlands.Bei näherem Hinsehen aber sind die geplanten Raketenbasen weniger defensiv ausgerichtet, sondern Folge einer von den USA nach Ende des Kalten Krieges betriebenen strategischen Umorientierung. Diese geht ab vom "Gleichgewicht des Schreckens" durch atomar bestückte Langstreckenraketen hin zum Aufbau einer atomaren Erstschlagkapazität durch ein Netz von Mittelstreckenraketen. Die Raketen sollen in einem konventionellen Präventivschlag einen möglichen atomar bewaffneten Gegner so umfassend angreifen, dass er keine Gelegenheit mehr zum Einsatz seiner atomaren Abwehr findet.Folgerichtig bezeichnet der Direktor des Raketenabwehrprogramms der Luftwaffe, US-Oberst Robert Bowman, das Netz der Raketenabwehr als das "Verbindungsglied zum Erstschlag". So nachzulesen in einem Aufsatz William Engdahls über die jüngste Rede Putins vor der Münchener Sicherheitskonferenz.Die geplanten und bereits installierten US-Raketenbasen legen sich wie ein Ring um Russland herum: 1999 wurde Camp Bondsteel an der Grenze zwischen Kosovo und Mazedonien errichtet. Es folgten Stützpunkte in Ungarn, Bosnien, Albanien, Mazedonien und Bulgarien. Nach dem 11. September 2001 wurden Stützpunkte in Afghanistan, Pakistan, Kirgistan und Usbekistan errichtet. Nun folgen die neuen NATO-Mtiglieder Polen, Tschechien und perspektivisch der Kaukasus. Zudem wurde mit Japan Anfang 2007 ein Kooperationsvertrag zur Raketen-Abwehr abgeschlossen.Japan gilt den USA als Brückenkopf nach Eurasien, mit einem möglichen Einsatzraum China aber auch Russland. Nachdem in Alaska bereits US-Radarstationen von den USA errichtet wurden, die den Norden Russlands ausspähen, fürchten russische Militärs jetzt, dass vom Kaukasus aus in Zukunft auch der Süden Russlands ausgespäht werden soll.Die aktuellen Vorstöße zur Stationierung von Raketen in Polen, Tschechien und im Kaukasus wären geeignet, den Ring um Russland endgültig zu schließen. Mit der Politik der Bush-Administration hat dies nur mittelbar zu tun. Auch über George W. Bush hinaus bleibt die militärische Einkreisung Russlands die zentrale strategische Option der US-Politik. Sie zieht sich von Trumans "Containment" nach dem zweiten Weltkrieg, über die Kuba-Krise in den 60ern, über Reagans "Reich des Bösen" und Clintons Entwurf des "Missile defence act" von 1999 bis zu dem von Bush nach dem 11. September 2001 eröffneten "Krieg gegen den Terror" als roter Faden durch die US-Politik. Strategen wie Zbigniew Brzezinski oder Henry Kissinger haben als Ziel der US-Politik unmissverständlich die Aufgabe benannt, den Zugriff auf Eurasiens Reichtum an Ressourcen und die globale US-Hegemonie durch Niederhaltung möglicher Konkurrenten, vor allen anderen Russlands, langfristig zu sichern.Die US-Pläne sind nicht zuletzt auch eine Herausforderung an die EU und Angela Merkels derzeitiger Ratspräsidentschaft. Angefangen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier über SPD-Chef Kurt Beck und Renate Künast von den Grünen bis hin zu Guido Westerwelle reicht die Kritik aus Deutschland an den US-Plänen. Der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung hält sich dagegen deutlich zurück.In Russland verfolgt Putin eine Doppelstrategie der Kooperations- und Gesprächsbereitschaft mit NATO, EU und "Antiterror Allianz" auf der einen und einer Modernisierung der russischen Atomstreitmacht auf der anderen Seite. Im Dezember 2006 erklärte der russische Präsident, die strategische Balance aufrechtzuerhalten, bedeute für Russland, die Fähigkeit zu entwickeln, "jeden beliebigen Gegner zu neutralisieren, gleich welche moderne Waffen er besitzen möge."
Diese Botschaft war unmissverständlich an die Adresse der USA gerichtet. Ihr materieller Ausdruck war unter anderem die Entwicklung eines neuen russischen Raketentyps, Topol-M, der beim Verfolgen der Ziele die Richtung ändern kann.In München forderte Putin die USA auf, im Sinne einer Deeskalation weltweiter Konflikte mit den übrigen Weltmächten zu kooperieren und kündigte an, Russland werde eine Initiative zur Beendigung und weltweiten Ächtung der Militarisierung des Weltraumes vorlegen. Europäer wie auch die Länder im Übergangsraum zwischen Russland und der EU sind durch diese Entwicklung aufgefordert sich zu entscheiden, ob sie sich mit unter den US-Raketenschirm begeben oder mit Russland, China und anderen neuen Mächten zusammen eine Kraft aufbauen wollen, die den US-Plänen Einhalt gebieten können. Ende
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