Die Geister zweier Staatsmänner
Ein Jahr nach seinem Tod im Untersuchungsgefängnis von Den Haag sorgt Slobodan Milosevic noch einmal für Schlagzeilen. Ein Namensvetter Milosevics soll das Grab des Diktators im Hof des Familienanwesens in Pozarevac geschändet haben, indem er den Sarg freilegte und versuchte, durch den geschlossenen Sargdeckel einen Holzpflock in das Herz der Leiche zu schlagen. Wie der Mann später gegenüber der Polizei zu Protokoll gab, habe er damit "verhindern wollen, dass der Geist von Milosevic wieder aufersteht."
Der Geist von Milosevic ist dieser Tage in Serbien in der Tat wieder sehr lebendig. Aber er konkurriert dabei mit einem anderen serbischen Staatsmann, dessen Todestag nur einen Tag später begangen wurde. Am 12. März erinnerte sich dann das Land an den westlich orientierten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic, der vor vier Jahren einem Attentat zum Opfer fiel. Beide Politiker verkörpern treffend den Gegensatz zwischen alter und neuer Zeitrechnung in Serbien.
Nur wenige Serben begingen den Gendenktag zum Tode Milosevics am 11. März 2007 / Joachim Dethlefs, n-ost
Staatliche wie private Fernsehsender begleiteten beide Anlässe mit Dokumentationen und Diskussionsrunden, in denen ein Großteil der Stimmen die Verantwortung für die heutigen politischen und wirtschaftlichen Probleme Serbiens bei Milosevic sah. Bei den Printmedien entschied dieses Jahr der ermordete Ministerpräsident Djindjic den Vergleich eindeutig für sich. Den serbischen Zeitungen war Milosevics Todestag nicht mal mehr eine Schlagzeile auf der Titelseite wert. Nur in verhältnismäßig kleinem Rahmen berichteten sie von der Trauerfeier am Grab des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten. Sogar die sonst nicht zimperliche Boulevardpresse verzichtete dabei weitestgehend auf die vor einem Jahr noch reichlich kursierenden Zweifel an einem Herzinfarkt als Todesursache. Damals ist Milosevic tot in seiner Zelle in Den Haag aufgefunden worden, wo er sich wegen der Anklage des Völkermordes vor dem Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien verantwortete.
Der gewaltsame Tod von Zoran Djindjic dagegen bot der Presse auch nach vier Jahren noch Anlass für Sonderseiten und Kommentare. Dabei wird ausführlich über die neuesten Entwicklungen im Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des serbischen Reformpolitikers berichtet. Voraussichtlich soll das Verfahren im April seinen Abschluss finden und bereits jetzt scheint abzusehen, dass vor allem die politischen Hintergründe der Tat nicht bis zur letzten Instanz aufgeklärt werden.
Die Grenzen zwischen aufrichtiger Anteilnahme und politischer Inszenierung liegen in diesen Tagen in Serbien vor allem bei der Sozialistischen Partei eng beieinander. Während vor einem Jahr noch zwischen 50.000 und 80.000 Menschen zur zentralen Trauerfeier für den ehemaligen Parteichef Milosevic vor dem Parlamentsgebäude in Hauptstadt erschienen waren, besuchten am Wochenende nur zwischen ein- und zweitausend Anhänger das Grab des Diktators. Milosevic war ein Begräbnis in Belgrad verwehrt worden. Nach erbitterter Diskussion hatte er seine letzte Ruhestätte in Pozarevac gefunden. Zeitungsmeldungen zufolge ruht er nun im Schatten jenes Baumes, unter dem er seine Frau Mira das erste Mal geküsst haben soll.
Diese und Sohn Marko leben seit Jahren in Moskau und verzichteten wie im Vorjahr auf eine Reise nach Serbien, weil sie dort wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten per Haftbefehl gesucht werden. An ihrer Stelle erschienen Parteigenossen und die Frau des zurzeit noch vor dem Haager Tribunal angeklagten Führers der Radikalen Partei, Vojislav Seselj. Außerdem fanden sich die Anhänger von Milosevics in Belgrad zu einer Gedenkveranstaltung im Sava Center zusammen.Das Grab von Zoran Djindjic befindet sich auf dem Zentralfriedhof in Belgrad in der "Allee der Großen" in Gesellschaft von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Kultur wie dem Literaturnobelpreisträger Ivo Andric. Anlässlich Djindjics Todestages bildete sich eine Schlange von Trauernden mit Blumen und Kränzen.
In Erinnerung an die tödlichen Schüsse trafen Freunde und politische Weggefährten zum gemeinsamen Gedenken am Ort des Attentates vor dem Parlamentsgebäude zusammen. Außerdem organisierte die Demokratische Partei zu Ehren ihres ehemaligen Vorsitzenden unter Mitwirkung seiner Witwe Ruzica einen Rhetorikwettstreit für Jugendliche. Der von Djindjics vertretenen Devise der Eigenverantwortung des Einzelnen entlehnt, diskutierten die Teilnehmer zu dem Thema "Wenn wir heute keinen Erfolg haben, sind wir selber der einzige Grund".