Bulgarien

Nationalisten bedrohen WAZ-Konzern

Schon länger führen Bulgariens Ultranationalisten von „Ataka“ einen Feldzug gegen sogenannte unbulgarische Medien. Vor allem der Essener WAZ-Konzern ist zur Zielscheibe geworden: Ende Februar versammelten sich etwa 100 Ataka-Sympathisanten – angeführt von Parteichef Volen Siderov und mehreren Abgeordneten der Parlamentsfraktion – vor den Redaktionen der Tageszeitung „24 Stunden“ und der Wochenzeitung „168 Stunden“. Siderov und seine Anhänger drangen in das Büro der Wochenzeitung ein und bedrohten den Chefredakteur Nikolai Penchev. Anwesende Journalisten der Publikation beschimpften sie mit Worten wie „Mafia“ und „Ausverkäufer“.

Auslöser für diesen Sturm war ein Artikel in „168 Stunden“, der von dubiosen Zahlungen berichtete: So habe die Partei der türkischen Minderheit, die „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), ihren politischen Gegnern von „Ataka“ insgesamt 1.600 000 Leva – umgerechnet etwa 800 000 Euro – für die Kampagne bei den vergangenen Parlamentswahlen zukommen lassen. Die DPS habe „Ataka“ angeblich unterstützt, um ihre eigenen Wähler zu mobilisieren, so der Text weiter. Zwar existiert ein Dokument der Transaktion – seine Echtheit ist aber umstritten.

Ataka wurde vor den letzten Parlamentswahlen im Juni 2005 gegründet. Mit einer minderheitenfeindlichen und aggressiv-nationalistischen Kampagne schaffte die Gruppierung auf Anhieb mit acht Prozent den Sprung in die bulgarische Nationalversammlung. Die Ultranationalisten fordern eine protektionistische Wirtschaftspolitik und restriktive Law&Order-Maßnahmen gegen Minderheiten und Oppositionelle. Zum militanten Bulgarentum der Gruppierung gehört auch der Ruf, den Einfluss der orthodoxen Kirche in der Gesellschaft zu vergrößern.

Ataka tritt für den Austritt Bulgariens aus der NATO ein. Besonders offen wettert Ataka gegen die Roma-Minderheit: „Zigeunerbanden“ würden durch die Stadtviertel ziehen, um zu stehlen und Bulgaren zu „malträtieren“. „Für alle Parasiten kann man einen geeigneten Platz und Arbeit finden“, tönte Siderov auf einer Kundgebung. Mit dem 23-jährigen Dimitar Stojanov stellt „Ataka“ nach dem EU-Beitritt auch den jüngsten Abgeordneten im Europa-Parlament.

„In den letzten Tagen wurden unsere Journalisten und wir alle unter Druck gesetzt, indem Verleumdungen, direkte Drohungen und Aufrufe zur Selbstjustiz ausgesprochen wurden“, heißt es in einer Pressemitteilung der WAZ Bulgarien. Chefredakteure und gefährdete Journalisten stünden ab sofort unter Wachschutz. Zur WAZ gehören mit „24 Stunden“ und „Trud“ die zwei auflagenstärksten Tageszeitungen Bulgariens. Insgesamt besitzt das  deutsche Verlagshaus gehören mehr als zehn Titel – darunter auch das Boulevardblatt „168 Stunden“, das immer wieder mit verkaufsträchtigen Skandalen aufwartet.

Eine Stellungnahme der „Vereinigung der Verleger“, unterzeichnet von 65 Medien, zeigte sich besorgt über das undemokratische Vorgehen und forderte die Staatsanwaltschaft auf, gerichtliche Schritte einzuleiten.„Ataka“-Chef Siderov verteidigt die Aktion damit, dass er nicht allein auf das Ergebnis einer langwierigen Klage warten wolle. In den letzten Tagen setzte „Ataka“ noch mit der Forderung nach einem strengeren Pressegesetz nach. Auf dem „Ataka“-nahen TV-Kanal „Skat“ geht die Schlammschlacht derweil weiter: Der Sender veröffentlichte Fotografien von sechs missliebigen Journalisten und warnte sie, sich von „Ataka“-Versammlungen besser fernzuhalten, da man Übergriffe nicht ausschließen könne.

Bei der Sofioter Staatsanwaltschaft wurde Anzeige gegen Unbekannt wegen „Hooliganismus“ erstattet. Zum ersten Befragungstermin der Polizei erschienen Siderov und die anderen Abgeordneten allerdings nicht. Auf seine Tätigkeit als Parlamentsmitglied wirft das rabiate Vorgehen des Ataka-Chefs kein gutes Licht. Und noch weniger auf seinen früheren Beruf: Siderov war selbst lange Jahre als Journalist tätig. Zu Beginn seiner Karriere schrieb er für die Tageszeitung „Demokracia“, ein Organ der antikommunistischen Reformer. Doch diese Tage scheinen schon lange vergessen.


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