Russland

Pfannkuchen bis der Arzt kommt

Russland feiert seine traditionelle Butterwoche mit Eierkuchen ohne EndeSt. Petersburg (n-ost) - Was für die Rheinländer der Karneval ist für Russen die Butterwoche „Masleniza“, die in diesem Jahr vom 12. bis 18. Februar andauert. Bevor die traurige Fastenzeit anbricht, wird noch einmal geschlemmt, bis der Cholesterinspiegel explodiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bliny, herzhaft oder süß gefüllte Pfannkuchen. Wie so viele Traditionen auch, ist die Masleniza heidnischen Ursprungs. Die alten Slawen huldigten einst Weless, dem heidnischen Gott der Viehzucht und der Landwirtschaft. Doch auch nach der Bekehrung zum Christentum 988 n. Chr. setzte sich der Brauch fort und bis heute wird das Fest in Russland ungeduldig erwartet und groß gefeiert.
Pfannkuchen, die in Russland Bliny genannt werden, stehen im Mittelpunkt des "Masleniza"-Festes. Foto: privatZur Masleniza gehören Straßenfeste mit Gauklern und Spielleuten und natürlich hunderte von Ständen, an denen die frisch gebackenen russischen Pfannkuchen angeboten werden. Das Fest ist eng mit dem Ende des Winters verbunden. Die runden und heißen Bliny verkörpern die Sonne, die nach dem langen Winter herbeigesehnt wird.Eine Woche lang wird gefeiert. Jeder Tag der Masleniza-Woche hat seinen eigenen Namen, seine besonderen Traditionen und Rituale. Der Montag heißt „Treffen“. In früheren Zeiten trugen die Kinder an diesem Tag Gedichte und Lieder vor. Die Erwachsenen errichteten Festzelte, Schaukeln und Rutschbahnen. Die Bezeichnung „Flirt-Dienstag” spricht für sich selbst. Dieser Tag ist traditionell den jungen Leuten gewidmet. Junge, unverheiratete Frauen haben gute Chancen, an diesem Tag ihren Bräutigam kennen zu lernen. Am „Leckermaul”-Mittwoch lädt die Schwiegermutter ihren Schwiegersohn zum Pfannkuchenessen ein. Die Devise für diesen Tag lautete: „Es soll so viel wie möglich gegessen werden.” Der Donnerstag, der „Schwelgerei“ genannt wird, ist der Tag, an dem die größten und buntesten Straßenfeste starten. Spielleute und Hofnarren tanzen auf diesen farbenreichen und fröhlichen Veranstaltungen zwischen den Besuchern herum. Verkleidete Kinder sammeln Süßigkeiten während sie singend von Haus zu Haus ziehen. Der eindrucksvollste und berühmteste Brauch ist der Faustkampf, bei dem sich die jungen Leute ohne Grund gegenseitig verprügeln.
Verkleidungen wie hier in Moskau sind zu Masleniza weit verbreitet. Foto: Veronika Wengert Freitag und Samstag sind durch weitere Besuche geprägt. Am Freitag macht die Schwiegermutter ihren Gegenbesuch bei ihrem Schwiegersohn. Und am Samstag lädt die Neuvermählte die Familie ihres Mannes ein um dessen Mitglieder zu bewirten und zu beschenken.Am Ende der Woche steht der „Verzeihsonntag”. Die Menschen bitten sich gegenseitig um Entschuldigung für den Ärger, den sie verursacht haben. Man entschuldigte sich dabei auch bei Unbekannten. Man weiß ja nicht, ob man ihnen möglicherweise auch etwas angetan haben könnte. „Gott wird Dir verzeihen”, ist am Sonntag überall zu hören. Am Abend verabschieden sich alle von Masleniza durch die symbolische Verbrennung der Masleniza-Puppe, die aus Heu gefertigt wird. Anders als in westlichen Kulturen am Aschermittwoch, beginnt in Russland bereits am Montag das Große Fasten, das 40 Tage bis Ostern andauert.Natürlich haben nicht alle der beschriebenen Traditionen überlebt. So gibt es keine Faustkämpfe mehr, die Besuche werden nicht immer an den dafür vorgesehenen Tagen gemacht oder finden in Cafes und nicht zu Hause statt. Aber bis heute bitten viele Menschen um Verzeihung am Sonntag, backen und essen die ganze Woche lang Pfannkuchen und verabschieden sich am Wochenende fröhlich vom Winter.
Jedes Jahr findet in Moskau in der Masleniza-Woche ein großes Bliny-Wettbacken statt. Foto: Veronika WengertBesonders intensiv wird die Masleniza auch heute noch in Moskau gefeiert. In der russischen Hauptstadt gibt es die ganze Woche lang Masleniza-Umzüge und extra errichtete Masleniza-Häuser am Roten Platz. Jedes Jahr ist der Donnerstag besonders beliebt. An diesem Tag wetteifern Köche aus ganz Russland darum, wer den leckersten Pfannkuchen backt. Immer wieder werden bei diesem Wettkampf neue Rekorde aufgestellt: So wurde 2002 der größte Pfannkuchen der Welt gebacken. Er war einen Kilometer lang, 300 Kilo schwer und seine gesamte Fläche bedeckte 150 Quadratmeter. 2004 buken die Experten einen Pfannkuchen-Turm mit einer Höhe von 14 Meter und 58 Zentimeter. 2005 dann traten Athleten im Pfannkuchenheben gegeneinander an.Auch in St. Petersburg werden in der Masleniza-Woche Straßenfeste gefeiert. Außerdem gibt es einen Empfang für Kinder im Jusupow-Pallais, in dem die prunkvollsten Empfänge und Maskenbälle der Zarenzeit ausgerichtet wurden. Daneben findet jedes Jahr ein traditionelles Masleniza-Musikfest in Mariinskij Theater statt. Dieses Jahr ist es dem 125. Geburtstag von Igor Strawinskij gewidmet.Ende
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