Der Sieger steht schon fest
Am Sonntag haben die Turkmenen das erste Mal in der Geschichte ihres Landes die Möglichkeit, bei der Präsidentschaftswahl zwischen verschiedenen Kandidaten zu wählen. Doch eigentlich ist es gar keine Wahl, denn alle sechs Kandidaten gehören der einzigen Partei an, die im Land erlaubt ist. Die Opposition ist nicht zugelassen. Den im skandinavischen Exil lebenden Oppositionspolitikern wurde die Einreise verweigert.
Unter Präsidentschafts-Kandidaten gibt es nur ein politisches Schwergewicht, der jetzt schon als Wahlsieger gilt. Es ist der ehemalige Gesundheitsminister Gurbanguly Berdymuchammedow. Der 49jährige war einer der engsten Vertrauten des im Dezember an Herzversagen verstorbenen Diktators Sapamurat Nijasow. Westliche Beobachter hoffen, das Berdymuchammedow die Isolation aufbricht, in der sich Turkmenistan unter Nijasow befand. Doch noch ist nicht klar, wohin der wahrscheinliche Wahlsieger das Land führen wird. Unmittelbar nach Nijasows Tod hatte Berdymuchammedow erklärt, Turkmenistan werde alle Gas-Lieferverträge einhalten.
Die anderen fünf Kandidaten sind Bürgermeister und Leiter von Staatsunternehmen, die den Anschein einer demokratischen Wahl erwecken sollen, so Beobachter von Menschenrechtsorganisationen. Berdymuchammedow genießt die Unterstützung des mächtigen Chefs der präsidialen Leibwache, Akmurad Redschepow, und der verschiedenen Clans des Landes. Die OSZE wird die Wahlen nur mit einem kleinen Expertenteam beobachten. Eine offizielle Bewertung der Wahlen ist nicht geplant. „Die internationale Gemeinschaft hat es versäumt, die bevorstehenden Wahlen in Turkmenistan zu kritisieren“, meint Holly Cartner, Zentralasien-Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Cartner meinte, Europa müsse das Interesse Turkmenistans an wirtschaftlicher Zusammenarbeit nutzen, um politischen Druck auszuüben.
Sapumurat Nijasow – er nannte sich auch „Turkmenbaschi“, Vater aller Turkmenen – hatte das Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern 21 Jahre regiert, zunächst als KP-Chef, dann als Präsident. Um seine Person entfaltete er einen fast religiösen Personenkult. Das Regime Nijasow war nach Meinung von Human Rights Watch eines der repressivsten auf der ganzen Welt. Nijasow persönlich kontrollierte die Deviseneinnahmen aus dem Gasexport. Drei Milliarden Dollar soll der Präsident auf Konten der Deutschen Bank in Frankfurt am Main geparkt haben.
Der im schwedischen Exil lebende Historiker Skhokhrat Kadyrow meinte gegenüber der „Moscow Times“, Berdymuchammedow werde als Präsident nicht soviel Macht haben wie Nijasow. Turkmenistan werde in Zukunft vermutlich von den verschiedenen Clans des Landes regiert, so der Historiker. Die Machtübergabe nach Nijasows Tod verlief handstreichartig. Eigentlich hätte der Parlamentssprecher das Amt des Präsidenten geschäftsführend antreten müssen, doch dieser wurde auf Anweisung des Generalstaatsanwaltes nur wenige Stunden nach dem Tod des Diktators unter fadenscheinigen Gründen verhaftet.
Kandidat Berdymuchammedow hat in den letzten Wochen Reformen im Sozial- und Bildungsbereich versprochen. Grundlegende demokratische Reformen sind jedoch nicht vorgesehen. In den Gefängnissen des Landes gibt es Hunderte von politischen Gefangenen. Gerüchte, wonach das Gefängnis- und Lagersystem des Landes reformiert werden soll, bestätigten sich bisher nicht. Unmittelbar nach dem Nijasows Tod war ein Aufstand in dem berüchtigten Gefängnis Owadan-Depe von den Wärtern niedergeschlagen worden. Nach einem Bericht der Internetzeitung Fergana.ru schrien die Gefangenen „Sei verflucht, Sapamurat Turkmenbaschi. Auf dass du in die Hölle kommst.“
Die von Nijasow verfügte Streichung der Renten für 100.000 ältere Menschen will Berdymuchammedow rückgängig machen. Weiterhin verspricht er Reformen im Bildungswesen und einen freien Zugang zum Internet. Diktator Nijasow hatte die obligatorische Mindestschulzeit gesenkt und die Möglichkeit eingeschränkt, im Ausland zu studieren. Ausländische Zeitungen und sogar das russische Fernsehen hatte er verbannt. Ende Januar wurde der turkmenische Umweltaktivist Andrey Zatoka auf Bewährung aus der Haft entlassen.
Turkmenistan hat zwar offiziell seine Neutralität erklärt, faktisch steht das Land aber – wie inzwischen alle ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien – unter russischem Einfluss. Dies manifestiert sich in erster Linie durch einen im Jahre 2003 geschlossenen Vertrag, mit dem sich Turkmenistan verpflichtet, den Großteil seines Gas-Exports an den russischen Gasprom-Konzern zu liefern.
Auch andere Großmächte hoffen auf Einfluss in Aschchabad. Dahinter steht vor allem das Interesse an den Gasvorkommen des Landes. Turkmenistan verfügt über die weltweit drittgrößten Erdgasreserven. Noch vor seinem Tod verpflichtete sich Nijasow, die Hälfte der turkmenischen Jahresförderung nach China zu liefern. Peking plant den Bau einer Gas-Pipeline. Auch Washington umwirbt Aschchabad - ungeachtet der undemokratischen Verhältnisse - und hofft auf den Bau einer Pipeline, die turkmenisches Gas durch das Kaspische Binnenmeer nach Westen transportieren soll. Die Bundesregierung will Zentralasien für die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft zu einem Schwerpunkt machen. Bisher ist die EU in Turkmenistan jedoch noch nicht einmal mit einem Büro präsent.