Das Geheimnis des "dritten Zwillings"
In der polnischen Regierung geht es drunter und drüber: Innenminister Ludwik Stanislaw Dorn ist am Mittwoch zurückgetreten. Besonders skurril: Dorn wird trotzdem stellvertretender Ministerpräsident bleiben. Als Grund gab er Meinungsverschiedenheiten an. Am Montag war bereits der Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski zurückgetreten.
Chaos in Kaczynskis Kabinett hält an // Auch Innenminister Ludwik Dorn tritt zurück
Warschau (n-ost) - Kopfschütteln in Polen: Die Minister wechseln einer nach dem anderen, die Regierung bröckelt. Innenminister Ludwik Dorn ist am Mittwoch überraschend zurückgetreten. Dies ist der zweite Wechsel innerhalb von 48 Stunden. Erst am Montag hatte Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski seinen Rücktritt eingereicht. Der Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski sagte, weitere Veränderungen seien möglich. Die Situation sei aber "unter Kontrolle". Für viele Bürger Polens ist ihre Regierung längst zum Theater geworden. Sie verstehen die Politik nicht mehr. Viele wollen sie auch nicht mehr verstehen. "Sollen doch alle zurücktreten", schreibt der Teilnehmer eines Chatforums. "Nur noch Chaos", bestätigt der 23-jährige Student Bartek Miedlinksi. Mehr wolle er nicht sagen, das lohne sich doch nicht. Der nächste Wechsel komme bestimmt.Besonders skurril an Dorns Rücktritt: Der 52-Jährige verlässt die Regierung nicht, sondern bleibt stellvertretender Ministerpräsident. Darüber freue er sich sehr, sagte Jaroslaw Kaczynski, er habe 100 Prozent Vertrauen in Dorn. Der Mitbegründer, stellvertretender Vorsitzender und Fraktionschef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), gilt als enger Vertrauter und Verbündeter des Premierministers Kaczynski und dessen Zwillingsbruder, Staatspräsident Lech Kaczynski. In den polnischen Medien wird Dorn deshalb "dritter Zwilling" genannt."Das ist meine Regierung und mein Ministerpräsident, der beste seit 1989", bekräftigte Dorn vor Journalisten seine Unterstützung. Er sprach von einer Meinungsverschiedenheit mit Jaroslaw Kaczynski. Ende Januar habe der Ministerpräsident Lösungen von ihm gefordert, die er nicht für richtig gehalten habe und für die er keine Verantwortung habe übernehmen wollen. Sein Rücktritt sei der Ausweg aus der Patt-Situation gewesen. "Die Zeit wird zeigen, wer Recht hat, ich wünsche mir und dem Ministerpräsidenten, dass er Recht haben möge", sagte Dorn.Worum es bei dem Streit ging, sagte der Politiker nicht. Er ließ keine Nachfragen von Journalisten zu. Die Medien sprachen daraufhin von "Dorns Geheimnis" und spekulierten über die Gründe. Kaczynski gab Unterschiede in der "Art der Koordinierung verschiedener Unterfangen" von Seiten des Innenministeriums, anderen Ressorts und dem Geheimdienst als Grund für Dorns Rücktritt an.Dorn, Publizist und Soziologe, der sich seit Anfang der siebziger Jahre in der antikommunistischen Opposition und Solidarnosc engagierte und später für den Präsidenten Lech Walesa arbeitete, hatte das Innenressort kurz nach dem Wahlsieg der Konservativen im Oktober 2005 übernommen. Der Vater von drei Kindern galt als einer der "starken" Minister in der Koalitionsregierung von PiS, der radikalen Bauernpartei Samoobrona und der nationalistischen Liga Polnischer Familien (LPR).Er war aber in letzter Zeit von polnischen Medien scharf für seinen Umgang mit der Polizei kritisiert worden. Zeitungen berichteten, führende Beamte des Innenministeriums hätten Polizisten für private Aufgaben wie die Lieferung von Hamburgern eingesetzt. Dorn habe nur wenig Interesse an der Aufklärung der Affäre gezeigt.Seit Oktober 2005 hatte die polnische Regierung zwei Ministerpräsidenten, fünf Finanzminister, zwei Schatzminister, zwei Außenminister und bekam am Mittwoch ihren zweiten Verteidigungsminister. Aleksander Szczyglo wurde zum Nachfolger des zurückgetretenen Radoslaw Sikorski ernannt. Er gilt als enger Berater von Lech Kaczynski.Als Nachfolger für Dorn gibt es mehrere Kandidaten. Als möglicher Nachfolger Dorns wird auch Jan Rokita genannt, der mit der Führung seiner oppositionellen Bürgerplattform (PO) im Streit liegt und derzeit im Ausland auf Urlaub ist. Der PO-Vorsitzende Donald Tusk sagte gegenüber Journalisten, er halte dieses Szenario für unglaubwürdig. Als "sehr guten Kandidaten" für den Posten bezeichnete Jaroslaw Kaczynski den Generalstaatsanwalt Janusz Kaczmarek, der schon Interesse angemeldet haben soll.
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Christina Hebel
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