Kosovo soll ein neuer Staat werden
Der Uno-Sondergesandte Martti Ahtisaari hat noch keinen Vorschlag zum künftigen völkerrechtlichen Status des Kosovo gemacht. Doch gemäß dem gestern (2. Februar) in Belgrad und Pristina vorgestellten Plan soll das Kosovo de facto ein neuer Staat unter strenger internationaler Aufsicht werden.
Am Vormittag überreichte Martti Ahtisaari seinen Vorschlag für die Zukunft des seit 1999 unter Uno-Verwaltung stehenden Kosovo dem serbischen Präsidenten Boris Tadic. In Pristina traf sich der Uno-Vermittler anschließend mit Vertretern der kosovo-albanischen Führung. Als Ahtisaari nach dem Treffen mit Tadic vor die zahlreich versammelten Pressevertreter aus aller Welt trat, wurde schnell klar, dass es noch immer keine Antwort auf die brennendste Frage geben wird, ob das Kosovo ein unabhängiger Staat werden soll oder nicht. Es handle sich beim vorgelegten Plan lediglich um einen Entwurf, stellte Ahtisaari klar. Die Status-Frage werde erst in seinem endgültigen Vorschlag zuhanden des Uno-Sicherheitsrates behandelt. Er hoffe, dieses Papier bis im Frühling fertig stellen zu können.
Zwar kommt in Ahtisaaris inzwischen offiziell veröffentlichtem Entwurf das Reizwort "Unabhängigkeit" nicht vor. Doch der Plan des Uno-Vermittlers lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass das Kosovo ein von Serbien unabhängiger Staat unter strenger internationaler Aufsicht werden soll. Das Kosovo soll demnach selbst für den Grenzschutz verantwortlich sein, internationale Verträge abschließen und internationalen Organisationen wie der Uno oder der Weltbank beitreten können. Auch die Bildung einer leicht bewaffneten "Kosovo-Sicherheitstruppe" ist vorgesehen, was faktisch der Schaffung einer Armee gleichkommt. Dies alles sind klare Merkmale eines Staates. Darüber hinaus soll nebst der bereits bestehenden Kosovo-Polizei ein Inlandsnachrichtendienst für Sicherheitsbelange zuständig sein. Weiter bekäme Kosovo dem Entwurf zufolge das Recht auf eigene nationale Symbole wie Flagge und Wappen sowie eine Nationalhymne.
Besonderes Gewicht legt der Plan auf die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der nicht-albanischen Bevölkerungsgruppen, ihrer Kulturgüter und religiösen Stätten. Ein mit Vollmachten ausgestatteter internationaler Gesandter, der gleichzeitig auch als EU-Vertreter amtet, soll – ähnlich dem Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina – die Umsetzung eines solchen Plans überwachen. Zudem würde auch weiterhin eine von der Nato angeführte internationale Militärpräsenz, vergleichbar mit der heutigen KFOR, für Sicherheit sorgen.
Serbiens Staatschef Tadic wies Ahtisaaris Vorschlag umgehend zurück, denn der Entwurf ermögliche die Unabhängigkeit des Kosovo. Damit stimmt seine Einschätzung mit derjenigen der meisten Diplomaten und internationalen Beobachter überein. Aber der Präsident bleibt trotzig: "Serbien und ich als Präsident werden die Unabhängigkeit von Kosovo und Metohija nie akzeptieren", sagte er nach dem Treffen mit dem Uno-Vermittler. Ministerpräsident Kostunica, der sich nicht mit Ahtisaari treffen wollte, warf diesem vor, gar nicht das Mandat dafür zu haben, "das Territorium Serbiens aufzuteilen und international anerkannte Grenzen zu verändern". Der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu dagegen sagte, jetzt sei der Weg in die Unabhängigkeit für das Kosovo geebnet.
Ahtisaari forderte die serbische und die kosovarische Seite auf, ihm in den nächsten Wochen ihre "konstruktiven Vorschläge und Meinungen" zum Plan zu präsentieren. Wie der Vertreter der Europäischen Kommission für das Kosovo, Leopold Maurer, bekannt gab, sind zwischen dem 12. und 23. Februar weitere Konsultationen mit den serbischen und kosovarischen Verhandlungsteams in Wien vorgesehen, meldete das Belgrader Radio B92. Der endgültige Vorschlag solle dann im März dem Uno-Generalsekretär überreicht werden. Nach Einschätzung von Maurer könnte der Uno-Sicherheitsrat im April oder Mai über eine neue Kosovo-Resolution abstimmen.