Putzaktion für Toleranz
Jugendliche aus St. Petersburg gehen mit dem Schwamm gegen ausländerfeindliche Graffiti vor
St. Petersburg (n-ost) - Nur zweieinhalb Wochen sind nötig, um eine Stadt ein kleines bisschen toleranter zu machen. Das haben Aktivisten aus der jüdischen Gemeinde und der Nichtregierungsorganisation "Liga der Nationen" in St. Petersburg unter Beweis gestellt."Nazi", "Russland den Russen", "Schlag die Juden" und Hakenkreuze - das ist nur eine Auswahl der Graffiti, die in Russlands Kulturmetropole zu finden waren. "Die Idee, die Stadt durch eine Putzaktion toleranter zu machen, stammt von einem der Gemeindemitglieder", erzählt Anna Brodotskaya, Leiterin des Informationszentrums der Jüdischen Gemeinde St. Petersburg. Dem Mann seien die rassistischen Parolen schlicht auf die Nerven gegangen und er überlegte, dass es gar nicht so schwer sein könnte, sie abzuwaschen.
Verschmierte Wand vor... Foto: Anna WinnikWeil die Schmierereien in der Stadt sich längst nicht nur gegen Juden richten, taten sich die jüdischen Initiatoren mit einer Gruppe zusammen, die Menschen aus verschiedenen Ländern repräsentiert, die "Liga der Nationen". Diese schlug wiederum für die gemeinsame Putzaktion den Titel: "St. Petersburg - Territorium des Friedens und der Verständigung" vor.Zwei Wochen lang suchten die Aktivisten mit Hilfe von Einwohnern in der ganzen Stadt nach beschmierten Wänden. Der Aufruf wurde durch einige Radio- und Zeitungsmeldungen verbreitet. "Wir versuchten dabei aber auch gleichzeitig, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, um nicht Gegenreaktionen von Neonazis und national-bolschewistischen Gruppierungen zu provozieren, die unsere Arbeit nutzlos gemacht hätten", erklärt Anna Brodotskaya.
...und nach der Reinigungsaktion. Foto: Anna Winnik20 junge Leute schlossen sich nach dem Aufruf den Initiatoren an. Innerhalb von zwei Wochen wurde eine Liste mit 70 Wänden ermittelt, die gesäubert werden sollten. Viele Bürger hätten sich auch einfach bei der Aktionsgruppe für die Idee bedankt, berichtet Sprecherin Brodotskaya.Mit finanzieller Unterstützung der Jüdischen Gemeinde wurden Pinsel, Farbe und andere Hilfsmittel besorgt. Danach folgten vier Tage harter Arbeit, um alle ermittelten Schmierereien zu beseitigen. Die Wände wurden teilweise abgewaschen, teilweise überstrichen.Ausgerechnet die Metropole St. Petersburg, die in der ganzen Welt zu Recht als weltoffen gilt, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum der russischen Neonazis und ausländerfeindlichen Skinheads entwickelt. Immer wieder gab es vereinzelte Übergriffe auf Ausländer. Generell ist in Russland Antisemitismus ein konstantes Problem. Trotzdem habe sich die Lage inzwischen sehr verbessert, meint Timur Kirejew, Sprecher der Föderation jüdischer Gemeinschaften (FEOR), welche die Interessen der etwa eine Million Juden in Russland vertritt."Ich denke, dass solche Aktionen sehr nützlich sind", erzählt der 30-jährige Grigorij, der zu den Teilnehmern der Petersburger Putzaktion zählte. Viele Bürger hätten längst resigniert und betrachteten solche rassistischen Wandparolen mittlerweile als etwas Gewöhnliches. Dies hätte Auswirkungen auf einige Jugendlichen, die sich wiederum solche Parolen zu Eigen machten und sich ein aggressives Verhalten gegenüber Juden und Ausländern angewöhnten. Die Aktion sei da ein guter Anstoß, Menschen zum Nachdenken und zum Widerstand zu bewegen, fügte Grigorij hinzu.Ende----------------------------
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