Getrennte Nachbarn
Seit dem 1. Januar 2007, dem Beitritt Rumäniens zur EU, reißt der Besucherstrom vor der rumänischen Botschaft in Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau, nicht ab. Wer in den benachbarten „Bruderstaat“ einreisen will, braucht nun ein Visum - ein Novum in der Beziehung zwischen beiden Ländern, für das die moldauischen Bürger wenig Verständnis aufbringen. Das Visum sei sehr schwierig zu bekommen, erzählt ein alter Mann aus dem Dorf Balti, das im Norden des Landes liegt, vor dem Konsulat. „Noch im Dezember war alles ganz einfach: ich konnte meinen Reisepass nehmen und über die Grenze am Prut zu meinen Freunden nach Rumänien fahren. Und jetzt das. Das haben wir nun also von der EU. Fast so, als ob wir noch zur Sowjetunion gehörten.“
160 Kilometer sei er gefahren. „Vielleicht komme ich heute nicht mal mehr an die Reihe.“ Die rumänische Regierung hatte im Vorfeld die aufgebrachten Bürger der Nachbarrepublik zu beruhigen versucht. Es werde keine Probleme bei der Ausstellung der Visen geben, hieß es. Ein computergestütztes System sollte aufgebaut werden, das erstmals das Ausfüllen der Anträge online möglich machte. Doch mit einem Problem hatten die Verantwortlichen nicht gerechnet: die Menge der eingehenden Anträge.
Außerdem haben viele moldauische Bürger aus den ländlichen Gebieten keinen Zugang zum Internet. So ist für sie ein Besuch in der Hauptstadt unabdingbar. Die Folge: Das einzige Konsulat im Land ist völlig überlaufen. „Diese Menge an Formularen schaffen wir einfach nicht“, stöhnt eine Mitarbeiterin des Konsulats. „Doch in den Augen der Wartenden sind wir die Schuldigen.”Davon konnte sich auch der rumänische Staatspräsident Traian Basescu überzeugen, der vergangenen Dienstag die moldauische Hauptstadt Chisinau besuchte. Sein Aufenthalt galt der Beilegung der Probleme bei der Visa-Erstellung.
Empfangen wurde Basescu von einer Demonstranten-Schar. “Eine Union”, “Rette uns” und “Nieder mit der Grenze am Prut” lauteten die Parolen, die auch der 42-jährige Ion M. skandierte. “Warum kann es bei uns nicht sein wie in Deutschland, wo sich alles zum Guten gewendet hat und eine Wiedervereinigung stattfand? Jetzt brauchen wir auch noch ein Visum.“ Basescu versicherte, die Probleme bei der Visaerstellung würden in den nächsten Tagen beigelegt. In einem Gespräch mit dem moldauschen Staatspräsidenten Vladimir Voronin wurde die Einrichtung zweier neuer Konsulate beschlossen – eines im Norden des Landes in der Stadt Balti, ein weiteres im Süden in Cahul. Bereits in zwei Wochen sollen sie in Betrieb genommen werden.
Voronin sprach seine Hoffnung aus, dass durch die Hilfe Rumäniens die langsame Angliederung an die Europäische Union und deren Institutionen gelinge. Immerhin bekam Rumänien von der Europäischen Union 123 Millionen Euro für Projekte in Aussicht gestellt, die zusammen mit der Republik Moldau und der Ukraine durchgeführt werden sollen. Diese Gelder sind für die Nachbarschaftspolitik von EU-Staaten und Nicht-EU Staaten vorgesehen.