Bulgarien

Nachschub für Europas Rechtsextreme

Ein Wermutstropfen mischt sich in die Freude über den EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien: Mit dem Einzug der Abgeordneten aus diesen Ländern am 15. Januar ins EU-Parlament (EP) erhalten auch die europäischen Rechtsaußen personellen Nachschub. Damit wird die Bildung einer eigenen Fraktion der Ultranationalisten möglich, die es seit einigen Jahren nicht mehr gegeben hatte.

Durch den Beitritt von Rumänien und Bulgarien wird die Zahl von 20 Mitgliedern aus mindestens sechs Ländern erreicht. Der zukünftigen Fraktion „Identität, Tradition und Souveränität“ gehören unter anderem sieben Abgeordnete der französischen Front National, der österreichische Rechtsaußen Andreas Mölzer und Mussolini-Enkelin Alessandra Mussolini an. Fünf Abgeordnete aus Rumänien und Dimitar Stojanov von der bulgarischen Sammlungsbewegung „Ataka“ vervollständigen die Truppe.Mit dem 23-jährigen Stojanov stellen die Rechtsextremen jetzt auch den jüngsten Abgeordneten unter den 785 Europa-Parlamentariern. Dimitar Stojanov kommt aus einschlägigem Hause. Seine Mutter ist Chefredakteurin des ultranationalistischen Zeitung „Ataka“, sein Stiefvater Volen Siderov der Anführer von Bulgariens Rechtsextremen.

Der Nachwuchs-Politiker mit dem Bürstenschnitt studiert Rechtswissenschaften in Sofia. Sein Debüt auf dem europäischen Medien-Parkett machte Stojanov im September 2006, als er - damals noch Beobachter im EP - eine Email mit beleidigenden Äußerungen gegen die ungarische Roma-Abgeordneten Livia Jaroka an andere Abgeordnete schickte. Auch antisemitische Sprüche sind von ihm zu hören. „Es gibt viele mächtige und reiche Juden, die den Medien Geld geben, um die Einstellung der Menschen zu formieren”, sagte er jüngst im Gespräch mit der britischen Zeitung „Telegraph”. Zudem würden Juden sich an ökonomischen Krisen in Ländern wie Bulgarien bereichern, so Stojanov weiter.

Auch in Bulgarien ist Stojanov kein Unbekannter – vor allem wegen seiner Familienbande. Er ist Enkel des bekannten Satirikers Radoj Ralin. Nun hat Stojanov auch einen prominenten Stiefvater: den Anführer der bulgarischen Partei „Ataka“, Volen Siderov, der im November 2006 seine langjährige Freundin Kapka Georgieva – Stojanovs Mutter – heiratete. Georgieva ist Chefredakteurin des täglichen Hetzblattes der Partei, das ebenfalls „Ataka“ heißt. Das Ehepaar unterhält das Verlagshaus „Bumerang“, in dem Siderovs verschwörungstheoretische Bücher erschienen sind.

Ataka wurde vor den letzten Parlamentswahlen im Juni 2005 gegründet. Mit einer minderheitenfeindlichen und aggressiv-nationalistischen Kampagne schaffte die Gruppierung auf Anhieb mit acht Prozent den Sprung in die Nationalversammlung. Mittlerweile verfügt Ataka in jeder größeren Stadt Bulgariens über ein Parteibüro.

Die Ultranationalisten fordern eine protektionistische Wirtschaftspolitik und restriktive Law&Order-Maßnahmen gegen Minderheiten und Oppositionelle. Zum militanten Bulgarentum der Gruppierung gehört auch der Ruf, den Einfluss der orthodoxen Kirche in der Gesellschaft zu vergrößern. Ataka tritt für den Austritt Bulgariens aus der NATO ein. Besonders offen wettert Ataka gegen die Roma-Minderheit: „Zigeunerbanden“ würden durch die Stadtviertel ziehen, um zu stehlen und Bulgaren zu „malträtieren“. „Für alle Parasiten kann man einen geeigneten Platz und Arbeit finden“, tönte Siderov auf einer Kundgebung.

Solche Töne wird Stojanov im Europaparlament wohl kaum anschlagen. Ataka verspricht, in Brüssel Bulgariens nationale Interessen zu vertreten und sich gegen einen EU-Beitritt der Türkei einzusetzen. Wenn sie könnte, würde die Partei auch die eben abgeschalteten Reaktoren des Atomkraftwerks Kozlodui wieder in Betrieb nehmen.

Stojanov könnte allerdings bald personelle Verstärkung bekommen: Bulgarien wird im Mai 2007 erstmals an Wahlen zum EP teilnehmen, Experten halten einen Zuwachs aufgrund der hohen Mobilisierbarkeit ihrer Anhänger für gut möglich. Stojanov wird die Europa-Liste der Ultranationalisten anführen. Nummer zwei soll laut Medienberichten Denica Gadzheva sein. Wie es der Zufall so will, ist sie Stojanovs Freundin.


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