Turkmenistan

Schatzmeister verschwunden

Turkmenistan verdiente gut am Gasgeschäft, es gehört zu den Ländern mit den weltweit größten Erdgas-Lagerstätten. Nach dem Tod des Präsidenten gibt es nun Spekulationen darüber, wer das Verfügungsrecht über die Milliarden Dollar hat, die der „Turkmenbaschi“ (Vater aller Turkmenen) auf Auslandskonten - unter anderem in Deutschland - geparkt hatte. Die Menschenrechtsorganisation Global Witness erklärte, dass sich auf den Konten bei der Deutschen Bank in Frankfurt zwei bis drei Milliarden Dollar befänden, welche „der turkmenische Präsident persönlich kontrollierte“. Die Bank solle Auskunft über die Ein- und Auszahlungen bei den turkmenischen Konten geben, forderte die Menschenrechtsorganisation, doch wie die Berliner „taz“ berichtete, lehnte die Bank ab. Über einzelne Kunden könne man keine Auskunft geben, hieß es.


Turkmenbaschi-Porträt in Aschgabat. / Edda Schlager, n-ost

Die Sache mit den Konten könnte noch für Wirbel sorgen. Wie der Moskauer Turkmenistan-Experte Arkadi Dubnow am Freitag auf einer Pressekonferenz in Moskau berichtete, verschwand am Vorabend des Todes von Nijasow dessen persönlicher Sekretär und Kassenwart, Aleksandr Schadan. Mit Schadan, der zwanzig Jahre an der Seite von Nijasow stand, seien auch „sehr wichtige Dokumente“ verschwunden.

Unklar ist, inwieweit die drei Familienangehörigen des Verstorbenen  Anspruch auf die Konten haben. Das Verhältnis von Nijasow zu Frau und Kindern war nicht das beste. Der Präsident hielt sich Geliebte, die russische Ehefrau Musa lebte in Europa. Der Sohn des Verstorbenen, Murad, lebt in Wien und macht dort Gas-Geschäfte, die Tochter Irina leitete die Filiale einer russischen Bank in London. Geldsorgen hatten die Familienmitglieder vermutlich nicht: 1997 berichteten britische Zeitungen, dass der 39jährige Murad in einer Nacht in einem Kasino in Madrid 12 Mio. Dollar verspielte.

In Turkmenistan sitzen Hunderte in Gefängnissen ein, in denen gefoltert wird. Nach einem Anschlag auf den Präsidenten im November 2002 rollte eine Verhaftungswelle über das Land. Niemand weiß, was aus den verurteilten Menschen wurde und ob sie noch leben. Dies trifft auch auf den bekanntesten unter den 2002 wegen „Terrorismus“ Verurteilten zu, den ehemaligen Außenminister Boris Schichmuradow. Das hält den russischen Ministerpräsidenten Michail Fradkow und den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch nicht davon ab, an den für Sonntag geplanten Trauerfeierlichkeiten in Nijasows Heimatdorf Kiptschak teilzunehmen.

Beide Länder haben großes Interesse an ungestörten Gaslieferungen aus dem zentralasiatischen Land. Die Ukraine bezieht jährlich 40 Mrd. Kubikmeter Gas aus Turkmenistan, Russland hat für das nächste Jahr Verträge über 70 Mrd. Kubikmeter unterzeichnet. Ein Teil dieses Gases wird von Gasprom weiter nach Europa exportiert. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte im letzten Jahr 86 Mrd. Kubikmeter Gas. Nach Schätzungen lagern in Turkmenistan zwischen 4.000 und 8.500 Mrd. Kubikmeter Erdgas.

Wer die Macht in Turkmenistan übernimmt, ist unklar. Die Regierung hatte am Donnerstag den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Gesundheitsminister Gurbanguly Berdymuchammedow zum geschäftsführenden Präsidenten und Verantwortlichen für die Beerdigung des Verstorbenen ernannt. Berdymuchammedow ist nach Meinung von Experten ein unehelicher Sohn von Nijasow. Der geschäftsführende Präsident hat nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ria Novosti gute Beziehungen zu dem eigentlich starken Mann des Landes, Akmurat Redschepow, dem Chef der präsidialen Leibwache.

Im Fernsehen erklärte Berdymuchammedow, der Kurs des verstorbenen Präsidenten werde fortgesetzt. Doch hinter den Kulissen scheint es schon zu krachen. Nur wenige Stunden, nach dem im Staatsfernsehen der Tod des Präsidenten bekannt gegebenen worden war, kam die Meldung, dass Owesgeldy Ataew, der Vorsitzende des Parlaments, verhaftet worden sei und die Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Die Gründe wurden nicht genannt. Ataew hätte laut Verfassung das Amt des Präsidenten geschäftsführend übernehmen sollen. Am 26. Dezember sollen auf einer Sitzung  des Schein-Parlaments die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl genannt werden.


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