Bulgarien

Niedrige Löhne locken deutsche Unternehmer

Die Adresse bürgt für Qualität. In der Batenbergstraße im Sofioter Regierungsviertel reiht sich eine namhafte Boutique an die nächste. Auch der deutsche Name „Rollmann“ ist darunter. Rollmann ist in Bulgarien eine bekannte Marke: TV- Moderatoren, Politiker und Wirtschaftsleute lassen sich von dem Herrenausstatter einkleiden.

Die bulgarische Erfolgsstory des Unternehmers Bertram Rollmann aus Aschaffenburg begann im Jahr 1993. Das Familienunternehmen hatte bis dahin in Griechenland produziert – doch die Standortkosten wurden zu hoch. Bei der Wahl einer neuen Produktionsstätte entschied man sich für Bulgarien. „Das Land machte den stabilsten Eindruck und das Potential an relativ gut ausgebildeten Menschen war sehr hoch“, erklärt Bertram Rollmann. Heute lässt er in Goce Delchev produzieren – eine 25.000-Einwohner-Stadt am Rande des schroffen Pirin-Gebirges, nahe der griechischen Grenze und nur drei Autostunden von Sofia entfernt.


Fertigungshalle bei Rollmann / Goze Delchev, n-ost

Vor den Toren der modernen Fertigungshalle herrscht bei Schichtwechsel reger Betrieb: Autobusse bringen Arbeiterinnen aus den umliegenden Dörfern direkt an die Betriebstore, der Fahrdienst wird von der Firma organisiert. Mit 25 Angestellten hat Bertram Rollmann hier begonnen, heute ist er mit 2200 Arbeitskräften der größte Arbeitgeber in Südwestbulgarien. Produziert wird vornehmlich für Großkunden wie Hugo Boss, Laurel, Joop oder Strellson. 90 Prozent der Textilien sind für den Export bestimmt – sie gehen nach Deutschland, Griechenland und in die Schweiz.

Rund 400 bis 500 deutsche Unternehmen sind bereits in Bulgarien tätig. „In Bulgarien sind überwiegend Mittelständler aktiv“, erklärt Andreas Schäfer von der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer (DBIHK) in Sofia. „Man fühlt sich hier gut aufgenommen, der Markt wächst dynamisch und deutsche Produkte genießen einen hervorragenden Ruf. Die Flugzeit nach Deutschland beträgt nur zwei Stunden und viele Leute sprechen Deutsch.“ Die Investoren seien mit ihrer Wahl überwiegend zufrieden: Laut einer Umfrage der DBIHK würden 84 Prozent ihrer Mitglieder wieder in Bulgarien investieren.


Investieren in Bulgarien

Im Jahr 2005 machten die deutschen Exporte nach Bulgarien 1841 Millionen Euro aus. Exportiert wurden vor allem Maschinen und Anlagen, Kraftwagen und chemische Erzeugnisse. Bei den ausländischen Direktinvestitionen (ADI) liegt Deutschland hinter Österreich und Griechenland an dritter Stelle. Im vergangenen Jahr wuchs die bulgarische Wirtschaft um 5 Prozent.


Doch Bulgarien sammelt als Standort nicht nur Pluspunkte. Die wenig effiziente Justiz und Verwaltung mache Unternehmern mitunter zu schaffen, so Schäfer. „Aufgrund des Systemswechsels zur Marktwirtschaft und vor dem EU-Beitritt gab es eine Reihe von rechtlichen Änderungen. Die Umsetzung ist nicht immer ganz so sauber, wie es sein sollte.“ Auch bei der Verbesserung der Transportwege müsse sich in Bulgarien noch einiges tun, damit eine schnellere Anbindung an Kunden in Westeuropa möglich sei. Für ausländische Investoren spiele der EU-Beitritt Bulgariens nun vor allem eine „psychologische Rolle“, erklärt Schäfer. „Der 1. Januar 2007 ist keine Zeitenwende, nach der schlagartig alles anders wird.“

„Der bulgarische Markt allein ist zu klein für uns“, sagt Kostadinka Kittner, Geschäftsführerin der Kittner GmbH, die im Dorf Kalojanovo in der Nähe von Plovdiv ihren Sitz hat. Etwa 110 Mitarbeiter fertigen hier Maschinen und Anlagen aus Edelstahl für die Lebensmittelindustrie. Auch hier produziert man vor allem für den Export. Gemeinsam mit ihrem Ehemann begann Kostadinka Kittner nach den Umbrüchen von 1989 nach günstigen Produktionsmöglichkeiten in Osteuropa zu suchen, das Ehepaar wollte sich selbstständig machen. Die Wahl fiel auf Bulgarien. In der hiesigen Wirtschaft gibt es eine starke Tradition des Maschinenbaus. „Die technische Ausbildung der Fachkräfte ist top“, so Kittner. Einstiegsschwierigkeiten mit Sprache und Mentalität gab es keine - Kostadinka Kittner ist gebürtige Bulgarin. Ärger mit der Bürokratie hat die Unternehmerin heute keinen mehr. Das habe sie bereits hinter sich, sagt sie lachend. Dafür quäle sie ein anderes Problem: „Es ist noch immer nicht möglich, zuverlässige Lieferanten zu finden.“

Rund um Plovdiv, Bulgariens zweitgrößter Stadt, sind in den letzten Jahren zahlreiche neue Gewerbegebiete entstanden. Den Wirtschaftsaufschwung in der Region bekommt auch das Unternehmen Kittner zu spüren. „Früher war es viel einfacher, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Das Gehalt ist den Leuten am wichtigsten und nicht die Möglichkeiten zur Entwicklung im Unternehmen“, so die Geschäftsführerin.

Der Mangel an Arbeitskräften ist ein Problem, das die bulgarische Wirtschaft auch in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Viele junge Bulgaren haben in den Jahren nach der Wende das Land verlassen, um im Ausland zu arbeiten. In manchen Regionen klagen Unternehmer sogar schon über Knappheit an ungelernten Arbeitskräften.  An Investitionsmöglichkeiten für ausländische Unternehmer mangele es indes nicht, so Andreas Schäfer. „Gerade beim Outsourcing von Dienstleistungen wie etwa Call Centern, dem Service mit Computer-Systemen oder der Bearbeitung von Rechnungen gibt es für deutsche Unternehmer noch viel Potenzial.“


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