„Der Druck aus Brüssel ist wichtig“
Das Thema Korruption galt in den Beitrittsverhandlungen zwischen Bulgarien und der EU als schwierigster Konfliktpunkt. Sollte es nach dem 1.1.2007 keine funktionierende Behörde geben, die EU-Mittel sauber verwaltet und auszahlt, werden Beihilfen gekürzt, drohte Brüssel bereits an. Die Regierung in Sofia hat der Korruption den Kampf angesagt. Wie weit ist Bulgarien schon in Sachen Korruptionsbekämpfung? Darüber sprach n-ost-Korrespondent Stephan Ozsváth mit Diana Kovátcheva. Sie leitet die bulgarische Sektion von Transparency International. Die 1993 in Berlin und London gegründete Organisation ist inzwischen in fast 100 Ländern vertreten und setzt sich im Dialog mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für eine effektive und nachhaltige Bekämpfung der Korruption und eine transparente Politikkultur ein.
Ist Bulgarien fit für die Europäische Union?
Ich würde sagen: Ja. Denn Bulgarien hatte lange Jahre den Kandidatenstatus. Und da wurden viele positive Reformen auf den Weg gebracht. Ich glaube nicht, dass Bulgarien weniger fit ist als irgendeines der zehn Länder, die der EU 2004 beigetreten sind. Ich halte eher die Erwartungshaltung der Leute hier für problematisch. Viele glauben: Am 2. Januar 2007 wird sich alles dramatisch ändern. Im Guten wie im Schlechten. Ich glaube - und diese Einsicht setzt sich jetzt auch bei den nationalen Institutionen durch - der Beitritt bedeutet nicht das Ende der Reformen. Nicht einmal die hoch entwickelten Länder sind damit fertig. In Holland etwa haben sie erstmals ein Gesetz beschlossen, das vorsieht, dass Kabinettsmitglieder und hohe politische Beamte ihre Vermögen offenlegen müssen.
Die EU hat immer wieder die Korruption in Bulgarien kritisiert, welche Bereiche sind von ihr betroffen?
Wenn wir von Korruption in Bulgarien oder in jedem Land sprechen, unterscheiden wir zwischen „Alltagskorruption“ und „politischer Korruption“. Und das ist nicht nur ein Problem Bulgariens, sondern jedes anderen Landes. In den letzten Jahren – glaube ich – liegt der Akzent in Bulgarien eher darauf, politische Korruption zu verhindern. Die wird zurecht als das größere Problem angesehen. Denn politische Korruption kann die Entwicklung eines Landes sehr behindern.
Also ist „Bakschisch“ für den kleinen Polizisten das geringere Problem?
Nun, in Sachen Alltagskorruption sind einige Maßnahmen ergriffen worden. So gibt es zum Beispiel Hotlines beim Innenministerium. Dort können sie den Polizisten anzeigen, der sie nach fünf oder zehn Leva fragt, wenn sie etwas im Straßenverkehr angestellt haben, und der Sie dann gehen lässt. Obwohl Alltagskorruption in Bulgarien allgegenwärtig und sichtbar ist, hat sie nicht so eine nachhaltige Wirkung auf das Ganze. Und so sieht das ja auch die EU-Kommission. Umfragen sagen uns, dass die Alltagskorruption nachlässt in den letzten Jahren, aber politische Korruption bleibt ein großes Problem.
Die Leute auf der Straße sagen: Wir erhoffen uns von einem EU-Beitritt Bulgariens vor allem eines, nämlich dass die Gesetze respektiert werden. Das zeugt doch von einem großen Misstrauen in die Institutionen.
Aber das hat natürlich nicht nur etwas mit Korruption zu tun. Es hat vielleicht auch mit Mentalitäten, mit historischen Besonderheiten zu tun. Das hat etwas mit dem Kommunismus zu tun, mit der Türkenherrschaft. Der Staat wurde als ein Feind angesehen. Das ist tief verwurzelt in der bulgarischen Seele. Wir von Transparency International glauben, dass Korruption immer zwei Seiten hat: Es gibt immer einen, der das Bestechungsgeld annimmt, und es gibt immer auch einen, der besticht. Das heißt: aktiv oder passiv - beide begehen eine Straftat. Ich glaube, es wurde viel über die passive Seite geredet, über den, der Bakschisch annimmt. Aber zuwenig über Bürger, die Bestechungsgeld nutzen. Und hier ist Aufklärung nötig, dass Schmieren nicht der richtige Weg ist. Auch den Polizisten zu bestechen ist eine Straftat – das muss klar sein.
Vielleicht machen viele die Erfahrung, anders geht es gar nicht...
Vielleicht ist das eine Erfahrung, die aus anderen Zeiten übrig geblieben ist. Sie gehen mit dem Schmiergeld los, und probieren es gar nicht erst anders.
Ist der Druck von außen – etwa von EU-Erweiterungskommissar Rehn – wichtig für den Reformprozess in Bulgarien?
Es gibt Druck. Und ich glaube, der Druck ist gut. Denn manchmal ist es besser, den Gesamtüberblick zu haben, von außen, aus der Ferne auf etwas zu schauen, um zu sehen, ob etwas in die richtige Richtung läuft.
Was kann Bulgarien noch gegen Korruption unternehmen?
Bulgarien hat ein schweres Jahr in Sachen Korruptionsbekämpfung hinter sich. Eine Menge Maßnahmen sind ergriffen worden. Einer der Hauptakteure der Korruptionsbekämpfung, die Antikorruptionskommission, wurde neu strukturiert. Zunächst wurde sie vom Justizministerium überwacht, jetzt untersteht sie dem Innenministerium, elf Leute gehören dem Gremium an. Das war vorher anders: Zuwenig Leute, zuwenig Kompetenzen. Der erste Schritt im Kampf gegen Korruption in Bulgarien ist unserer Ansicht nach damit getan. Das Problem ist: Es braucht Zeit. Positiv sind einige Gesetzesänderungen. So mussten bis vor kurzem hohe politische Beamte nur einen kleinen Teil ihres Vermögens offenlegen. Das Gesetz wurde geändert. Und jetzt mussten sie zum Teil beträchtliche Vermögen einer breiteren Öffentlichkeit offenlegen. Und auch andere, die Kontakt zu diesen hohen Beamten haben, müssen ihre Vermögen offenbaren. Das ist ein guter Schritt. Der Effekt dieser Maßnahmen wird erst in einigen Monaten zu sehen sein. Wir lernen beim Gehen.