Suggestive Fragen am Dnjestr
Moskau (n-ost) – 97 Prozent der Wähler haben sich am Sonntag in einem Referendum für die Unabhängigkeit der selbsternannten Republik Transnistrien und die Vereinigung mit Russland ausgesprochen. 2,3 Prozent stimmten für den Anschluss an die Republik Moldau.
Transnistrien liegt zwischen der Ukraine und der Republik Moldau. Das Gebiet - von der Fläche her etwas größer ist als das Saarland - hatte sich 1992 in einem blutigen Bürgerkrieg von der Republik Moldau abgespalten. Damals fürchtete man eine Vereinigung von Moldau und Rumänien. Heute leben in Transnistrien eine halbe Million Menschen. Die Bevölkerung besteht zu jeweils einem Drittel aus Russen, Ukrainern und Moldauern.
Die EU und die OSZE hatten zu dem Referendum keine Beobachter geschickt, da Transnistrien nicht als Staat anerkannt ist und das Referendum die Integrität der Republik Moldau in Frage stelle. Die Fragen bei der Abstimmung waren suggestiv. Ob sie „den Kurs der Unabhängigkeit und die Vereinigung mit Russland“ unterstützen, hieß es in der ersten Frage. Die Alternativ-Frage lautete: „Halten sie eine Absage der Unabhängigkeit der transnistrischen moldauischen Republik und einen darauf folgenden Eintritt Transnistriens in die Republik Moldau für möglich?“
In der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol demonstrieren Kommunisten gegen die Blockade durch die Ukraine und für Unabhängigkeit. / Jan Zappner, n-ost
Die Mehrheit der Bürger Transnistriens glaubt – so der Moskauer „Kommersant“ -, dass die Vereinigung mit Russland kurz bevorsteht. Von einem Anschluss an Russland versprechen sich die Menschen vor allem eine Verbesserung ihrer kläglichen Lebenssituation. Transnistrien ist zwar reich an Industrie. Zu Sowjetzeiten wurden am linken Ufer des Dnjestr große Industriebetriebe aufgebaut, die ihre Produkte nach Russland, in die Ukraine und in die EU exportieren.
Doch seit März fordern die ukrainischen Behörden moldauische Zollpapiere. Das führte in Transnistrien zu einem starken wirtschaftlichen Einbruch. Auf die Zollverschärfungen reagierte Russland mit einem Import-Verbot für moldauischem Wein. Dieser sei „gesundheitsschädlich“, hieß es in Moskau.Status quo wie bisherPräsident Igor Smirnow sieht sich durch die Unabhängigkeit Montenegros bestärkt. Er hofft, dass Russland das Ergebnis des Referendums von Transnistrien anerkennt. Doch die Beobachter gehen davon aus, dass das Referendum keine konkreten Folgen haben wird.
Für Moskau ist Transnistrien eine Karte im Machtgerangel mit EU und Nato. Offiziell wird Transnistrien – wo seit dem Bürgerkrieg noch eine 1.200 Mann starke russische Friedenstruppe stationiert ist – nicht anerkannt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates Konstantin Kosatschow erklärte, „das Referendum hat keine juristische Kraft für Moldawien und die internationale Gemeinschaft, auf deren Reaktion die nichtanerkannte Republik hofft“.Es mangelt jedoch nicht an politischer Unterstützung aus Moskau.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte, die Prozedur der Abstimmung sei „demokratisch und offen“. Das Ergebnis des Referendums müsse man jedoch „ohne Emotionen“ und mit dem „gesunden Menschenverstand“ beurteilen. Die Konfliktparteien müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren. Der stellvertretende Duma-Sprecher Oleg Morosow erklärte, „die Resultate des Referendums hätten gezeigt, dass alle Versuche, den Transnistrien-Konflikt mit Gewalt zu lösen, zum Scheitern verurteilt sind.“ Von welcher Seite Gewalt drohe, erklärte Morosow nicht.
Der Präsident Moldawiens, Wladimir Woronin, verurteilte die Abstimmung vom Sonntag kategorisch. Woronin, der zugleich auch Vorsitzender der Europa-orientierten Kommunistischen Partei Moldawiens ist, erklärte, das Referendum ziele darauf, die Situation zu verkomplizieren. Die Abstimmung untergrabe „die Anstrengungen der moldauischen Führung für eine friedliche Lösung des Transnistrien-Konflikts“.