Bulgarien

Lost in Transliteration?

Wenn Bulgarien 2007 der EU beitritt, wird die Union nicht nur um eine Sprache, sondern auch um ein Alphabet reicher. Das bulgarische kyrillische Alphabet verfügt über 30 Buchstaben – darunter einige Sonderzeichen, die keine eindeutige lateinische Entsprechung haben. Ein verbindlicher Standard für ihre Transliteration, die buchstabengetreue Umschrift in lateinische Buchstaben, existiert – theoretisch. Besonders wirkungsmächtig waren die Tabellen der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften bislang allerdings nicht einmal für die Behörden.

Auf Ortstafeln, Verkehrs- und Straßenschildern mit lateinischen Namen regiert bis zum heutigen Tag die muntere Vielfalt. Für Touristen kann der bulgarische Schilderwald ganz schön verwirrend sein. Fährt man etwa in die Geburtsstadt Elias Canettis an der Donau, dann kann man verschiedenen Ortstafeln entnehmen, dass man sich nun in Russe, Ruse bzw. Rousse befindet. Ob Bulgariens Hauptstadt nun Sofia, Sofija oder doch Sofiya heißt, steht ebenfalls zur Debatte. Und selbst über die lateinische Schreibweise des Landes im Südosten Europas ist man sich längst nicht einig: Ob es nun Bulgaria, Balgariya oder doch Bâlgarija genannt werden soll, bleibt weitgehend der persönlichen Präferenz überlassen.


In kleinen Orten auf dem Land gibt es kaum Schilder in Lateinschrift / Jutta Sommerbauer, n-ost

„Der Verwaltung mangelt es an Koordination“, sagt Svetla Koeva, Leiterin der Abteilung Computerlinguistik der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. „Jede Gemeinde hat einfach Schilder gemacht, ohne diese mit dem existierenden Standard abzugleichen.“

Mit dem Projekt „Razbiraema Bulgaria“ – zu Deutsch „Verständliches Bulgarien“ – soll dies nun anders werden. „Wenn jemand nach Bulgarien kommt und einen Ort besuchen will, muss es auch eine eindeutige Bezeichnung geben“, erklärt Koeva. „Wir wollen verständlich sein.“ Eine Standardisierung der geographischen Ortsbezeichnungen dulde auch wegen des bevorstehenden EU-Beitritts Bulgariens keinen Aufschub, so Nikolay Vassilev, Minister für Verwaltung und Verwaltungsreform.

Auf Geheiß seines Ministeriums hat Koevas Abteilung nun eine Software entwickelt, die gratis im Internet zu benutzen ist und endlich Klarheit bringen soll. In einer Datenbank wurden bislang 30.000 Personennamen und geographische Bezeichnungen – Ortschaften, Flüsse, Straßen, Plätze – gesammelt und ihre Schreibweise verbindlich festgesetzt. Jeder Internet-Benutzer kann sich nun vergewissern, wie etwa sein Wohnort oder Name in lateinischen Buchstaben auszusehen hat.

„Chaotisch und verwirrend“ sei die derzeitige Lage, bestätigt auch Chavdar Tsenov, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Verwaltungs-Ministerium. Deshalb sollen die alten Beschilderungen allmählich ausgewechselt und durch korrekte Bezeichnungen in beiden Alphabeten ersetzt werden. Derzeit werde eine Verordnung vorbereitet, die die unterschiedlichen Behörden verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen in ihrem Bereich umzusetzen. Bis die Mühlen der Bürokratie in Gang kommen, wird es allerdings einige Zeit dauern – für die Umtausch-Aktion steht kein Extra-Budget zur Verfügung.

Auch ein anderes Problem macht den Reformern zu schaffen: „In Bulgarien fehlen sowieso massenhaft Schilder“, so Tsenov. „Es gibt nicht mal genügend auf Kyrillisch.“ Auf den bulgarischen Alltag wird das Projekt wohl nicht so viel Einfluss haben. Bulgarisch wird zwar grundsätzlich nur in kyrillischen Buchstaben verschriftlicht – Emails, Chat- oder Textnachrichten schreibt man allerdings auch heute schon in lateinischen Buchstaben. Und hier transliteriert jeder, wie er will. Kürze hat hier klaren Vorrang. „Wenn jemand ein Email oder SMS schreibt, dann kann er jede Transliteration verwenden, die ihm passt“, sagt auch Svetla Koeva.

Auch in persönlichen Dokumenten wie Reisepass und Personalausweis hat der Transliterations-Standard nach wie vor nur Empfehlungscharakter. „Es ist die freie Entscheidung jedes Menschen, wie er seinen Namen in lateinischen Buchstaben schreibt“, so die Linguistin.


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