Präsidentenfamilie streitet über Mediengesetz
Demonstrationen, Unterschriftenlisten und die Androhung leerer Zeitungsausgaben – Kasachstans Journalisten machen mobil gegen einen Gesetzesentwurf, der das Mediengesetz des Landes verschärfen soll. Am vergangenen Wochenende (24. Juni) gingen in der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty mehrere Hundert Demonstranten auf die Straße, um für Pressefreiheit in der zentralasiatischen Republik zu protestieren.
Der umstrittene Gesetzentwurf – derzeit in der kasachischen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert – wurde dem Parlament Anfang Juni von Kultur- und Informationsminister Ermuchabet Ertisbajew vorgelegt. Nach den Vorschlägen soll die Neu-Registrierung von Medien erschwert werden. Zudem würde die Registrierung nochmals notwendig, wenn sich Besitzer, Name, Sprache, Auflage oder Reichweite, Chefredakteure, Adresse oder Erscheinungshäufigkeit eines Mediums ändern. Herausgeber, deren Medien per Gerichtsurteil verboten wurden, sollen kein Recht auf weitere Registrierungen erhalten. Erst im Januar war das Gesetz zuletzt geändert und die Kontrollmöglichkeiten des Staates über die Medien bereits damals erweitert worden.
„Man will der Presse in Kasachstan den Strick drehen“, kommentiert Seitkazi Matajew, Vorsitzender der kasachischen Journalisten-Union das Vorhaben. „Das Seil für den Galgen haben die Juristen gefertigt. Die Regierung hat den Galgen aufgestellt. Das Parlament wird den Strick um den Hals des Verurteilten lege, und den Hocker wird Präsident Nursultan Nasarbajew mit seiner Unterschrift persönlich wegstoßen.“
Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, kritisierte den Gesetzesvorschlag: „Es entspricht keinesfalls internationalen demokratischen Standards, dass eine Regierung definiert, welche Medien als vertrauenswürdig gelten oder wie hoch eine Auflage zu sein hat,“ so Miklos Haraszti, Beauftragter für Medienfreiheit bei der OSZE. „Kasachstan hat die Chance, seine Rolle als führender Medienreformer der Region wahrzunehmen. Es wäre bedauerlich, wenn diese Gelegenheit versäumt würde“, so Haraszti.
Bereits im vergangenen Jahr war Kasachstan in die Kritik der OSZE geraten, weil die Präsidentschaftswahlen im Dezember, in denen Nasarbajew im Amt bestätigt wurde, nur bedingt den internationalen Standards entsprochen hätten. Im Jahr 2009 möchte die zentralasiatische Republik den OSZE-Vorsitz übernehmen.
Pikant an der Debatte um das Mediengesetzt ist zudem, dass sogar Dariga Nasarbajewa, älteste Tochter des kasachischen Präsidenten, Vorsitzende der Partei „Asar“, Parlamentsabgeordnete und langjährige Chefin des größten, staatlichen Medienkonzerns „Khabar“, sich in der Parlamentsdebatte gegen den Gesetzesvorschlag aussprach. Niemand verstehe, warum die Regierung Eile habe, „solch reaktionäre Änderungen des bestehenden Mediengesetzes“ umzusetzen, so die Präsidententochter. „Das würde einen großen Schritt zurück bedeuten.“
Seit 17 Jahren regiert Nursultan Nasarbajew die zentralasiatische Republik und pflegt einen autoritären Politikstil, der stark auf seine Person und ihm nahe stehende Kreise zugeschnitten ist. Das Verhältnis zwischen Dariga Nasarbajewa und ihrem Vater gilt seit mehreren Monaten als belastet. Beobachter vermuten eigene politische Ambitionen der Tochter. Hinter ihrer Position im Streit um das Mediengesetz steckt möglicherweise auch eine Retourkutsche gegen Informationsminister Ertisbajew, den viele als rechte Hand des Präsidenten betrachten. Er hatte im Mai vorgeschlagen, „Khabar“ vollends zu verstaatlichen. Bisher gehören 51 Prozent des Medienkonzerns dem Staat, die beiden weiteren Anteilseigner sind unbekannt. Es wird jedoch angenommen, dass es sich dabei um Dariga Nasarbajewa und ihren Mann handelt.
Kurz nach ihrem Plädoyer für weniger regulierte Medien, beeilte Nasarbajewa sich jedoch, ihrem Vater wieder öffentlich den Rücken zu stärken. Sie rief die Parteien des Landes zu einem Bündnis „für unseren gemeinsamen Führer, Nursultan Nasarbajew“ auf. Den Grund dafür vermutet Politologe Dosym Satpajew vom kasachischen Institut „Risk Assessment Group“ darin, dass Nasarbajewa und ihre Partei mit der Debatte um das Mediengesetz eine Niederlage erlitten hätten und politisch geschwächt seien. Er gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf das Parlament passieren wird.