Django Reinhardt: Musiker und Sinti-Botschafter in Koblenz
Django Reinhardt entstammt einer weitverzweigten Musikerfamilie, die in Koblenz schon lange heimisch ist. Der prominente Sinto war in den 60er Jahren noch in einer Elendssiedlung zwischen den Bahngleisen am Rande der Kleinstadt am Rhein aufgewachsen. „Der Platz“ sagten die Koblenzer damals abfällig über den abgelegenen Ort, an dem sich die Sinti-Familien in Wohnwagen und Baracken während der Nachkriegsjahre niederließen. Django Reinhardt verbrachte dort die ersten Jahre seiner Kindheit, bis die etwa 300 Menschen in feste Quartiere in anderen Stadtteilen umgesiedelt wurden. „Wir haben Glück gehabt mit Koblenz“, sagt Django Reinhardt über seine Heimatstadt. Die meisten der schätzungsweise 4.000 Sinti und Roma in Stadt und Umgebung seien gut integriert.
Djangos Vater, der Musiker Daweli Reinhardt, war aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zusammen mit anderen angestammten Sinti-Familien in die alte Heimat zurückgekehrt. 149 Familien aus der Gegend waren 1943 dorthin verschleppt worden und hatten Schlimmes erlitten. Daweli Reinhardt trug die KZ-Nummer am Arm und hatte in Auschwitz zahlreiche Verwandte verloren. Mit seinen Söhnen sprach er aber kein Wort über seine Erlebnisse. Die Musik war sein Leben und überspielte Bitternis und Trauer. Als Mitbegründer und Solo-Gitarrist des Schnuckenack-Reinhardt-Quintetts machte er den von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschimpften Gipsy-Swing des berühmten Jazzmusikers Django Reinhardt populär.
Daweli Reinhard ließ nicht nur die Gitarre seines Idols orginalgetreu nachbauen, sondern benannte auch einen seiner fünf Söhne nach ihm. Django Reinhardt, der schon mit sechs Jahren begann, Gitarre zu spielen, musiziert bis heute mit seinen vier Brüdern und ist in die Fußstapfen des Vaters getreten.
Seinen großen Durchbruch feierte er mit „Gipsy Christmas“, einem Arrangement von Weihnachtsliedern, die auf Deutsch und in der Sinti-Sprache Romanes gesungen werden. Aber auch mit Titeln von Elvis Presley feierte die Band bei der „Las Vegas Show“ in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle große Erfolge. Seit Jahren füllt Django Reinhardt mit seiner Band auch die großen Konzertsäle der Umgebung. Seine Fangemeinde wächst beständig. So hat Lotto Rheinland-Pfalz mit Django Reinhardt einen Künstlervertrag geschlossen, damit er bei Benefiz-Veranstaltungen auftritt. Längst hat sich in Koblenz auch ein örtlicher Unterstützungsverein „Django Reinhardt Music Friends“ gegründet, der sich auch der musikalischen Förderung junger Sinti und Roma widmet.
Dabei ist der leidenschaftliche Musiker im Hauptberuf als Hauswart bei einer städtischen Tochtergesellschaft tätig. Aber alle kennen und lieben ihn wegen seiner Musik. Wer ihn trifft, wundert sich, wie der charismatische Sinto all diese Aktivitäten unter einen Hut bringt und nachts auch noch eigene Musik komponiert.
Längst ist er zum Koblenzer Botschafter für die Sinti geworden, den DFB-Präsident Theo Zwanziger und Bundestrainer Joachim Löw im Mai 2010 mit zum Spiel der Nationalmannschaft gegen Ungarn nahmen. Ein gemeinsamer Besuch in der ungarischen Stadt Tatarszentgyörgy, wo im Vorjahr zwei Roma ermordet wurden, sollte bewusst ein Zeichen gegen Rassismus setzen.
Engagement für Roma- und Sinti-Familien
Django Reinhardt nutzt seine zunehmende Popularität geschickt dafür, soziale Projekte in Koblenz voranzutreiben. Seit knapp einem Jahr hat die Stadt ein Kultur- und Beratungsbüro für Sinti und Roma, unmittelbar in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Das winzige Büro befindet sich in einem ebenerdigen, verglasten früheren Kiosk, der direkt an das Baudezernat der Stadt angrenzt. „Das vermittelt Seriösität“, zeigt sich Django Reinhardt überzeugt. Seine Nichte, die 29-jährige gelernte Bürokauffrau Gina Reinhardt, organisiert den Geschäftsbetrieb und ist selbst ein Beispiel für gelungene Integration. „Wir sind ein kleines Büro mit großen Aufgaben“, sagt Django Reinhardt. Ihm liegt vor allem die Zukunft junger Roma und Sinti am Herzen. Deshalb widmet er sein gesellschaftspolitisches Engagement bewusst nicht der Erinnerung an die schwere Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus, sondern den drängenden Problemen der Gegenwart.
„Wegen der unregelmäßigen Schulbesuche und des großen Desinteresses ist es für uns schwierig, die Schüler in Praktika unterzubringen“, erzählt der Konrektor der örtlichen Diesterweg-Schule, Rolf Hoffmann. Da im Stadtteil viele Sinti-Familien wohnen, gehören rund ein Fünftel seiner Schüler der Volksgruppe an, aber selbst engagierte Lehrer kommen an die Jugendlichen oft nicht heran. Der Konrektor greift deshalb gerne auf Django Reinhardts Unterstützung zurück, der als „Gago“ (Onkel) in den Sinti-Familien eine andere Autorität genießt. „Dein Sohn soll nicht mit Dir zum Schrott fahren, sondern in die Schule gehen“, macht er den Vätern bei seinen Hausbesuchen eindringlich deutlich. Auch die Jugendlichen hören eher auf ihn. Dank seines Werdegangs ist er für viele ein geachtetes Vorbild und nimmt die Schüler leichter in die Pflicht. Da macht es durchaus Eindruck, wenn er sagt: „Du hältst da jetzt mal eine Woche durch und blamierst mich nicht.“
Dank seiner Konzerte hat der Musiker viele Kontakte zu Koblenzer Geschäftsleuten etabliert. Da finden auch schwer vermittelbare Schüler trotz miserabler Noten plötzlich eine Lehrstelle oder einen Praktikantenplatz. „Jeder meckert, wenn die Kinder auf der Straße sitzen“, legt Django Reinhardt überzeugend dar. „Wenn einer dann in Arbeit kommt und dabei bleibt, wird er auch seine Kinder in diese Richtung erziehen.“ Solche Argumente fruchten manchmal selbst bei Koblenzer Arbeitgebern, die sonst vielleicht eher Vorurteile gegen „Zigeuner“ pflegen. Das Engagement des Musiker Django Reinhardt lässt einige umdenken.
Dabei erinnert sich Django Reinhardt selbst noch gut an die eigenen Schulprobleme. Damals wurden die Sinti-Kinder in Koblenz noch in eigene Klassen gepackt. „Da habe ich nicht viel aufgepasst“, erinnert sich Reinhardt. Auch bei ihm sei nicht alles gradlinig gelaufen. Heute weiß der Sinto, dass gute Bildung der Schlüssel zur gelungenen Integration ist. „Wir verlieren nicht unsere Kultur, wenn wir jeden Tag zur Schule oder zur Arbeit gehen“, sagt er seinen Leuten und spart dabei auch nicht mit Selbstkritik. „Teilweise sind wir Mitschuld“, sagt er und stört sich daran, dass die vermeintliche Diskriminierung oft als Ausrede für Misserfolge benutzt wird. Django Reinhardt sieht die eigenen Leute in der Verantwortung, sich stärker zu integrieren und mehr für eine gute Ausbildung ihrer Kinder zu tun. „Wir laufen sonst Gefahr, ewig eine Randgruppe zu bleiben und uns selbst auszugrenzen.“
Auch das Solwodi-Frauenhaus in Koblenz arbeitet inzwischen mit dem Beratungsbüro zusammen. „Die Sprachkenntnisse sind das eine, aber vor allem ist bei vielen Sinti-Frauen das Misstrauen gegenüber Nicht-Sinti groß“, sagt die Vorsitzende Lea Ackermann. Da Fälle von häuslicher Gewalt in den stark patriarchalisch geprägten Familien verbreitet sind, ist die Kooperation für beide Seiten hilfreich. „Man kennt sich hier in Koblenz“, sagt Django Reinhardt. „Da rufen auch Ämter bei uns an wegen Mietrückständen oder die Polizei.“ Viele der Probleme lassen sich in der Kleinstadt durch persönlichen Einsatz lösen. Aber Django Reinhardt schwebt vor, das „Koblenzer Modell“ auch für andere deutsche Städte attraktiv zu machen.
Beratungsbüro: www.beratungsbüro-djangoreinhardt.de
Django Reinhardt auf der Bühne: Gipsy-Christmas / Las-Vegas-Show (youtube)
Dieser Text ist dank einer Förderung der Allianz Kulturstiftung entstanden.