Geringer Resonanz auf Milosevic Beerdigung
Slobodan Milosevic hatte schon zu Lebzeiten keine Mühen gescheut, um sich und seine Politik über die von ihm kontrollierten Medien in einem möglichst günstigen Licht darzustellen. Seine politischen Erben planten dies fortzusetzen und die zentrale Gedenkfeier am Samstagmittag für den ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens und Serbiens zu einem Großereignis zu machen. Doch während zahlreiche
ausländische Nachrichtensender das Geschehen vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad übertrugen, zeigten die meisten Bürger in den prall gefüllten Nebenstraßen der Metropole Desinteresse. Nicht politische Ambitionen sondern der normale samstägliche Berufsverkehr verstopfte Straßen und Gehwege mit Menschen, denen der Sinn eher danach stand, ihre Einkäufe zu erledigen, als den ehemaligen Angeklagten des UN-Kriegsverbrechertribunals zu verabschieden.
Die laut Polizei 80.000 Besucher der Gedenkveranstaltung waren mit Reisebussen aus dem ganzen Land angereist. Viele trugen Ansteckbuttons mit dem Bild des verstorbenen. Vereinzelt sind Fahnen der Partei zu sehen, auch Plakate mit den Konterfeis von Radovan Karadzic und Ratko Mladic. Das serbische Fernsehen überträgt in einer mehrstündigen Live-Schaltung. Auf einer kleinen Bühne treten nacheinander die Redner an das Mikrofon neben dem Sarg des Verstorbenen, der im alter von 64 Jahren vor einer Woche in seiner Zelle in Den Haag gestorben ist. Dem offiziellen Autopsieergebnis Herzinfarkt wird hier nicht viel Glauben geschenkt.
Wie bei einem Rockkonzert haben sich die heißblütigsten Anhänger direkt vorne von der Bühne gesammelt. „Serbien, wach auf“ und „Slobo, Slobo“ ist von dort zu hören. Die regelmäßige Erwähnung des
Kriegsverbrechertribunals, das in Ihren Augen für den Tod Milosevics verantwortlich ist, wird mit mehr oder weniger enthusiastischen Buh-Rufen untermalt. Obwohl das Verteidigungsministerium dies verboten hatte, zeigten sich zahlreiche ehemalige Kommandanten in ihren Militäruniformen. Für General Dragoljub Ojdanic könnte der Auftritt laut serbischer Medienberichte unangenehme Konsequenzen haben. Er ist zurzeit vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bis zum Beginn seines Prozesses unter der Auflage nach Serbien gelassen worden, dass er nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt.
Nach dem Programm strömen die Besucher zu ihren Bussen. Ein großer Teil von Ihnen fährt weiter nach Pozarevac - die Heimatstadt von Milosevic. Nach einem Trauerzug und einer weiteren Gedenkveranstaltung – bei unter anderem Schriftsteller Peter Handke eine Trauerrede hält - wird der Sarg zum Privat-Haus von Milosevic gebracht. Auch hier überträgt das Fernsehen live bis sich gegen 18 Uhr der Sarg im Garten des Anwesens langsam in die Erde senkt.
Sowohl Ehefrau Mirjana Markovic als Sohn Marko waren bei der Beerdigung nicht anwesend. Beide halten sich seit längerem in Russland auf, weil sie in Serbien mit Haftbefehl gesucht werden. Der ebenfalls in Moskau lebende Milosevic-Bruder Borislav, ehemaliger jugoslawischer Botschafter in Russland, konnte wegen den Folgen einer Herzoperation nicht anreisen. Für Aufsehen sorgte aus Montenegro Milosevics Tochter Marija, wegen ihrer bewegten und kriminellen Vergangenheit, im serbischen Volksmund auch als „Bloody Mary“ bekannt, mit der Forderung, ihr Vater solle exhumiert und in dem montenegrinischen Heimatort der Familie bestattet werden.
Nach der geringen Beteiligung der Bevölkerung am Samstag scheint es unwahrscheinlich, dass die serbischen Sozialisten den bereits für nächste Woche angekündigte Regierungswechsel in Zusammenarbeit mit der nationalistischen Radikalen Partei wagen werden. Allerdings blieb auch die Teilnehmerzahl bei der offiziellen Gegendemonstration weit hinter den Erwartungen zurück. Auf einen Aufruf per Ketten-SMS von der poltischen Linken marschierte eine knapp vierstellige Zahl an überwiegend Jugendlichen und Eltern mit Kindern mit bunten Luftballons
durch die Innenstadt, um zu zeigen, dass es noch ein anderes Serbien gibt.
Vor allem der aktuelle Regierungschef Serbiens, Präsident Boris Tadic, wird aufatmen. Sowohl um Aufbahrungs- und Bestattungsort von Milosevic sowie die Anwesenheit seiner Familienangehörigen bei der Beerdigung hatte es erbitterte Diskussionen gegeben, bei denen die Demokratische Partei wegen ihrer Abhängigkeit von den Stimmen der Sozialisten viele Kompromisse eingehen musste. Trotzdem konnte verhindert werden, dass Milosevic ein Staatsbegräbnis bekam. Anstelle im Parlamentsgebäude wurde sein Sarg insgesamt zwei Tage im Museum der Revolution aufgebahrt, das sich nur wenige hundert Meter vom letzten Ruheort Titos befindet. An den Glanz der Beerdigung des noch heute im gesamten Gebiet des ehemaligen
Jugoslawiens verehrten Führers, reichte das Geschehen um Milosevic aber bei weitem nicht heran.