„Bevölkerung muss auf Kompromisse vorbereitet werden“
Drei Themen dominierten am Donnerstag den ersten Besuch von Frank-Walter Steinmeier als deutscher Außenminister in der serbisch-montenegrinischen Hauptstadt Belgrad. Nachdem er den unveränderten Standpunkt Deutschlands in Bezug auf die Kosovo-Statusverhandlungen dargelegt hatte, bekräftige der deutsche Chefdiplomat die Forderung nach einer Festnahme und Auslieferung der wegen Kriegsverbrechen gesuchten Ratko Mladic und Radovan Karadzic. Als Gegenleistung stellte Steinmeier die deutsche Unterstützung bei der EU-Annäherung Serbien-Montenegros in Aussicht.
Auf einen Besuch bei dem Außenminister der Staatenunion Serbien und Montenegro, Vuk Draskovic, und dessen Vizepräsident, Miroljub Labus, folgte ein Mittagessen mit dem Präsident der Republik Serbien, Boris Tadic. Für Nachmittagsstunden waren Gespräche mit dem Präsidenten der Staatenunion Serbien und Montenegro, Svetozar Marovic sowie Serbiens Premierminister, Vojislav Kostunica, angesetzt.
Bei der Pressekonferenz mit Serbiens Präsident Boris Tadic machte Steinmeier deutlich, wie sehr die EU-Perspektive des Balkanstaates von der Festnahme des vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesuchten ehemaligen General Ratko Mladic abhängig ist. „Es ist kein Geheimnis, dass die Europäer diese Verhaftung und Überstellung in kurzer Zeit erwarten, und deswegen gehe ich immer noch davon aus, dass es zu den befürchteten Unterbrechungen der Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen nicht kommen wird.“ Vor dieser diplomatisch formulierten aber deutlichen Drohung hatte Boris Tadic bereits betont, dass Serbien das Problem mit dem Tribunal in Den Haag mit eigenen Kräften lösen wolle, und zwar schon aus eigenem Interesse, um die Sicherheit seiner Regierung zu gewährleisten.
Schon im Vorfeld stand fest, dass der Besuch Steinmeiers in Belgrad keine großen Überraschungen bringen würde und eher im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo zu sehen ist. Während die Fernseh- und Radiostationen in ihren Nachrichten an vorderster Stelle über den deutschen Gast berichteten, nahm er in den Zeitungen des folgenden Tages verhältnismäßig geringen Platz ein. Dort interessierten am meisten die Äußerungen Steinmeiers zur Kosovo-Frage.
Der Auftakt der Statusverhandlungen am 20. - 21. Februar in Wien, so Steinmeier, sei ein ermutigendes Zeichen gewesen. Er sehe für das kommende Jahr einen Prozess, der von allen Seiten noch viele Kompromisse abverlangen werde. „Ich glaube, darauf muss man die Bevölkerung in der ganzen Region noch vorbereiten.“ Damit bezog er sich auf politische Kräfte in Serbien, die sich nach wie vor vehement gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo wehren und diese Position auch gegenüber ihrer Bevölkerung propagieren. Steinmeier betonte, dass Chef-Unterhändler Marti Ahtisaari nur unter drei Grundsätzen verhandele. „Es kann kein Zurück zu dem Zustand vor 1999 geben. Es wird keine Teilung des Kosovo geben. Und es wird keine Zuordnung des Kosovo zu einem anderen Staat geben.“ Sein Land erkenne absolut die Rechte der Albaner in der Kosovo-Region an, so Tadic. „Aber wir möchten nicht auf die Rechte der Serbien im Kosovo verzichten. Neben der völkerrechtlichen Stellung des serbischen Volkes sind uns auch unsere Kulturgüter und unsere Kirchen wichtig.“ Generell äußerte er aber Verhandlungsbereitschaft. „Serbien ist kompromissbereit.“
Eine eher kleine Rolle spielte bei den Gesprächen das geplante Referendum über eine Unabhängigkeit Montenegros von der Staatenunion mit Serbien. Tadic erklärte, dass er sich weiterhin für deren Fortbestand einsetzen werde. Trotzdem sei er zufrieden, dass sowohl die dortige Opposition als auch die Regierung die Kriterien des EU-Sondergesandten Miroslav Lajcak anerkennen, nach denen mindestens 55 Prozent der Wahlbeteiligten für das Referendum stimmen müssen, damit es Gültigkeit erhalte. „Wenn diese Position für beide Seiten – also sowohl für die Regierung als auch die Opposition – akzeptabel ist und dann dieser Vorschlag von Seiten der Europäischen Union kommt, dann ist er auch akzeptabel für Serbien.“