„Man muss sich Zeit nehmen“
n-ost: Sie arbeiten sowohl als Fotograf als auch als Journalist. Was begeistert Sie mehr: Das Schreiben oder das Fotografieren?
Michael Biach: Beides ergibt vor allem zusammen einen Sinn für mich. Aber den richtigen Moment beim Fotografieren abzupassen, sehe ich als große Herausforderung. Deshalb ist für mich das Fotografieren immer noch etwas Heiliges.
Aktuell kann man auf ostpol Ihre Geschichte „Nachts in den Gruben“ über den illegalen Kohleabbau in Polen lesen. Hatten Sie keine Angst in den engen Stollen?
Biach: Die Stollen waren zwar extrem eng und dunkel, aber als ehemaliger Höhlen- und Wracktaucher war das kein Problem für mich. Außerdem habe ich Roman, dem Protagonisten meiner Geschichte, vertraut, dass er schon weiß, wo man sich ohne Gefahr aufhalten kann.
Was war Ihre Motivation für dieses Thema?
Biach: Ausganspunkt für meine Recherche war der Film „Workingman´s Death“, in dem es um hart arbeitende Menschen an gefährlichen Orten geht. Der Film war ganz nah dran an den Leuten und mein Vorbild für die Recherche in den Stollen.
Sie haben auch über die Spätfolgen des Krieges in Bosnien Herzegowina recherchiert. Hierzu gibt es bereits unzählige Fotoprojekte. Warum haben Sie das Thema trotzdem aufgegriffen?
Biach: Ich habe 2013 begonnen, in Bosnien zu recherchieren, zuerst zum Thema Srebrenica. Es ging mir nicht darum, ein exklusives Fotoessay zu produzieren, sondern mich in die Historie einzuarbeiten. So kam ich auf die Landminen. Das gab es als Thema bislang eher aus Ländern wie Kambodscha. Ich wollte zeigen, dass 20 Jahre nach Kriegsende in unserer Nachbarschaft immer noch Menschen durch Minen ums Leben kommen. Die Gefahr ist ja wieder aktuell, seit die Flüchtlingsroute über Kroatien verläuft und dort in Grenzregionen noch vereinzelt Minen liegen.
Wie hat sich Ihre Sicht auf den Krieg und auf Bosnien-Herzegowina verändert?
Biach: Für meine Reportage „Die unsichtbare Gefahr“ habe ich sowohl mit Minenräumern aller drei bosnischen Ethnien als auch mit Opfern gesprochen. Das hat mir gezeigt, dass es in einem Krieg keine Gewinner gibt. Und ich habe erlebt, dass die Wunden immer noch nicht verheilt sind. Die Stimmung im Alltag kann schnell kippen, wenn Gespräche auf dieses Thema kommen. Das Misstrauen zwischen den meist muslimischen Bosniaken und den bosnischen Serben nimmt sogar wieder zu, da die Religionsfrage aufgrund der Islamismus-Debatte wieder heftiger diskutiert wird.
Wie sollen Ihre Fotoreportagen auf den Betrachter wirken?
Biach: Ich will in erster Linie, dass die Menschen über diese Themen informiert werden. Da ist es oft von Vorteil, wenn man sowohl fotografiert als auch schreibt. Ich greife Aspekte aus meinen Fotos direkt in meinen Texten auf. Ich will ein umfassenderes Bild liefern über die Stereotypen hinaus, die man ohnehin schon kennt.
Wie bringen Sie Ihre Interviewpartner dazu, sich zu öffnen?
Biach: Meistens freuen sich die Menschen, von sich erzählen zu können. Außerdem öffnet Geselligkeit meisten die Türen. Man muss sich Zeit nehmen und zusammen essen, trinken. Dann kommen auch die Geschichten und das Vertrauen. In Bosnien hat mir ein Mann während eines Essens auf einmal lächelnd erzählt, dass er vor kurzem auf einen Blindgänger getreten ist. Seine Frau saß wie versteinert daneben. Oft machen diese kleinen Dinge die Dramatik einer Situation erst deutlich.
Alle Beiträge von Michael Biach auf ostpol:
„Abschied auf Raten“ - Über die Identifizierung von Kriegsopfern
„Die unsichtbare Gefahr“ - Reportage über Minen in Bosnien
„Nachts in den Gruben“ - Über illegale Kohleminen in Polen
Audiokommentar von Michael Biach über sein Porträt einer bosnischen Frau, die Enkel und Ehemann durch Minen verloren hat.