Belarus

Hoffen auf russische Neutralität

Moskau (n-ost). Der Präsident Weißrusslands, Aleksandr Lukaschenko, hatte gestern (Freitag) einen schweren Tag. Der ehemalige Kolchose-Chef – im Volksmund auch ehrfürchtig „Batka“ („Papa“) genannt - ist es gewohnt, in der Öffentlichkeit als Alleinherrscher aufzutreten. Doch an diesem Tag im „Palast der Republik“ in Minsk war Lukaschenko nur einer von Vielen. Die Wahlkommission registrierte den Amtsinhaber und drei weitere Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen am 19. März.
Der autoritär regierende Lukaschenko ist seit 1994 im Amt und will es zu Lebzeiten offensichtlich nicht mehr hergeben. Bisher haben die im Ausland umstrittenen Wahlen immer das gewünschte Ergebnis gebracht.

Außer Lukaschenko wurden noch drei Kandidaten zur Wahl zugelassen: Aleksandr Milinkewitsch - er wird von einem Bündnis von Sozialdemokraten, Kommunisten und Liberalen unterstützt und tritt als „gemeinsamer Kandidat der Opposition“ an -, Sergej Gajdukewitsch von der Liberaldemokratischen Partei und Aleksandr Kosulin von der sozialdemokratischen Partei „Gramada“.

Milinkewitsch ist zweifellos der schärfste Kritiker von Lukaschenko. Im staatlichen Fernsehen werde er mit keinem Wort erwähnt, berichtete der Oppositionskandidat am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Moskau. Für die Pressekonferenz hatte die kleine russische Partei Union der Rechten Kräfte (SPS) einen Saal in ihrer Parteizentrale zur Verfügung gestellt. Die liberale Partei, die mit dem Chef des russischen Stromkonzerns RAOJEES, Anatolij Tschubais, immerhin ein prominentes Mitglied in der russischen Führungs-Elite hat, unterstützt schon seit Jahren die weißrussische Opposition und deren Zeitung „Volkswille“.

Wahlkampf von „Tür zu Tür“

Milinkewitsch ist im Westen bisher kaum bekannt. Bis 1994 war er stellvertretender Bürgermeister seiner Heimatstadt Grodno. Der ehemalige Physikprofessor gehört der polnischen Minderheit an. Er spricht mehrere Sprachen und hat in den USA studiert.

Milinkewitsch hat nichts Aufrührerisches. Im Gegenteil, er spricht ruhig und mit Bedacht, ganz das Gegenteil von Amtsinhaber Lukaschenko, der oft im Jähzorn zu explodieren scheint. Er wolle keinen revolutionären Umbau, sondern eine „ruhige und dynamische Entwicklung“, erklärt der Oppositionskandidat.

Angesichts der Lage in Weißrussland scheint alles andere auch aussichtslos. Die Opposition ist in ihrer Arbeit weitgehend eingeschränkt. Menschen, die Milinkewitsch öffentlich unterstützten, riskieren ihren Studien- oder Arbeitsplatz, Flugblattverteiler bekommen Geldstrafen. Die Polizei löst jede Straßenaktion der Opposition auf. Zahlreiche Oppositionspolitiker sitzen im Gefängnis. Das Schicksal der in den letzten Jahren spurlos verschwundenen Oppositionsführer Juri Sacharenko und Viktor Gontschar und Anatoli Krasowski ist bis heute nicht aufgeklärt.

Unter diesen Bedingungen bleibe der Opposition nur der Wahlkampf „von Tür zu Tür, von Haus zu Haus“, erklärt Milinkewitsch. „Straßenaktionen wollen wir nicht“, sagt er, als er von Journalisten auf die orangene Revolution in der Ukraine angesprochen wird. Aber wenn die Wahlen nicht demokratisch verlaufen, werde das Volk auf die Straße gehen, und dann stehe er natürlich auf der Seite des Volkes. Die Lage der Opposition in Weißrussland, so der Kandidat, sei in etwa mit der Lage der Solidarnosc zu vergleichen. In Weißrussland hätten Unternehmer Angst, die Opposition zu unterstützen. Das sei während der orangenen Revolution in der Ukraine anders gewesen. Und mit bedächtiger Stimme fügt er hinzu, er hoffe, dass der Kreml seine Unterstützung für Lukaschenko irgendwann zurückziehe.

Anlässe dafür gibt es genug. Vor kurzem erklärte Lukaschenko im staatlichen Fernsehen, er werde „bis zur letzten Patrone“ schießen, um seine Macht zu verteidigen. Moskau halte an Lukaschenko nur fest, weil man Angst vor dem „orangenen Virus“ hat, heißt es in Oppositions-Kreisen. Immerhin wurden Vertreter der weißrussischen Opposition schon zweimal auf höchster Ebene in Moskau empfangen, in der Duma und der Präsidialverwaltung. Das stimmt den bedächtigen Oppositionskandidaten Milinkewitsch hoffnungsvoll.

Ende

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