Das Goldstück der Ostsee
Danzig (n-ost) – Noch vor dem Essen bekommt man im Danziger Restaurant „Unter dem Lachs“ in der Danziger Altstadt ein Glas voll original Goldwasser. Kleine Plättchen 22-krätigen Goldes haben diesen ansonsten farblosen Schnaps über Danzig hinaus in aller Welt bekannt gemacht. Wie goldene Schneeflocken tanzen sie im Glas. Wenn Mieczysław Robakowski, kräftiger Besitzer des renommierten Lokals, den Gästen einschenkt, tischt er gleichzeitig die Legenden auf, die sich um das wertvolle Getränk ranken.
Die Ursprünge dieses Trunks gehen auf das Jahr 1634 zurück. Damals feierte König Wladyslaw IV. nach einem gewonnenen Feldzug in Danzig seinen Triumph. Erstmals spritzte dafür Wasser aus dem Neptunbrunnen in der Langgasse im Danziger Zentrum.
„Weil die Danziger schon immer reiche Händler waren, warfen sie, der Legende nach, Goldstücke in den Brunnen“, erzählt der Danziger Historiker Andrzej Januszajtis. Als Neptun das sah, habe ihm das sehr gefallen und er habe ein Wunder bewirkt. „Mit seinem großen Dreizack zerkleinerte er diese Goldstücke in kleine Goldflocken und verwandelte das Wasser in einen Likör“.
Das sei natürlich schnell bekannt geworden. Und als die geizigen Danziger Schankwirte das erfuhren, schlichen sie zum Brunnen und füllten diesen Likör in ihre Fässer und brachten das Getränk in ihre Keller, so der Historiker. Händereibend berechneten sie in Gedanken schon ihren Gewinn. Doch die Überraschung kam am nächsten Tag: In den Tonnen war nur reines Wasser. Nur ein Schankwirt habe nicht mitgemacht, erzählt Januszajtis. „Das war der Besitzer des Hauses „Unter dem Lachs“. Als er in seinen Keller ging, da fand er eine große Tonne voll mit Goldwasser und konnte es viele Jahre lang bis zum letzten Krieg verkaufen“.
Die Geschichte des Restaurant begann vor über 400 Jahren: Nachdem Ambrosius Vermoolen, ein holländischer Mennonit, im Jahre 1598 das Danziger Bürgerrecht erlangt hatte, gründete er in der Breitgasse eine Likör-Fabrik und gab ihr den Namen „Der Lachs“, auf Polnisch: „Łosoś“. Dieser Fisch - ein Symbol für Glück und Wohlstand - ziert seit dieser Zeit alle Produkte dieser Probierstube und gab dem späteren Restaurant seinen Namen. Das echte „Goldwasser“ wurde all die Jahre nur im Lachshaus in der ulica Szeroka, Breitgasse hergestellt und verkauft. Sogar der Große Kurfürst von Preußen erhob das „Güldenwasser“ zu seinem „Leib- und Magenlikör“.
Überliefert sind zwei unterschiedliche Rezepturen. Andrzej Januszajtis hat festgestellt, dass eine Rezeptur 24 Zutaten und das andere nur 17 enthält. In der Kombination mit 17 Zutaten sei in jedem Fall die beruhigende Baldrianwurzel enthalten. „Und in dem Rezept mit 24 Zutaten konnte ich unter anderen auch Laudanum finden. Das ist Opium“, erzählt der Danziger Professor.
Sowohl die Rezepte als auch die Rechte zur Herstellung der Liköre wurden von den ersten Besitzern - der Familie von der Marwitz - an den Graf von Hardenberg verkauft. Das Haus und der Betrieb in der Breitgasse wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Besitzer wurden nach Westen vertrieben. Und so fing man an, das berühmte Danziger Getränk in der Fabrik „Lachs“ in Noerten bei Göttingen zu produzieren.
Das Original Danziger Goldwasser aus deutscher Produktion kostet im Spirituosengeschäft rund acht Euro. Im Danziger „Lachs“ verlangt der Wirt für die gleiche Flasche über 100 Złoty, umgerechnet 25 Euro. Dass Mieczysław Robakowski sein Goldwasser aus Deutschland importieren muss, wissen dabei die wenigsten. „Die Fabrik in Noerten ist der einzige Betrieb, der das echte Goldwasser nach alten Rezepten produziert und die Rechte dazu hat“, erklärt Robakowski. „Wir können nichts anderes verkaufen. Es wäre eine Schändung dieses Getränkes“.
Die rund 100 Gäste, die in der Saison täglich im Restaurant zu Gast sind, stammen zu 70 Prozent aus dem Ausland. die Mehrzahl aus Deutschland. „Und diese wollen immer das Original Goldwasser kosten“. Viele nehmen dann auch eine Flasche als eine „Danziger Erinnerung“ mit nach Hause. So mancher mache später große Augen, wenn er auf dem Etikett entdecke, dass das Souvenir eigentlich aus Deutschland stammt, räumt der Besitzer des „Lachses“ ein.
Auch in Polen wird inzwischen „Goldwasser“ hergestellt. Nach Ansicht von Professor Januszajtis schmeckt der deutsche Likör aber ganz anders als der polnische. „In unserem Goldwasser ist zu viel Anis, es ist auch zu süß, da es nach polnischen Normen gemacht wird“, meint er selbstkritisch.
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