Fatmir Sejdiu neuer Präsident des Kosovo
Der Nachfolger für den verstorbenen Präsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugova, ist gefunden: Nach zwei gescheiterten Wahlgängen bekam Fatmir Sejdiu am 10. Februar im Parlament des Kosovo 80 Stimmen oder exakt die Zweidrittelmehrheit, die für die Wahl zum Präsidenten nötig ist. Noch zehn Wochen hätte man sich mit der Wahl Zeit lassen können, aber die anstehenden internationalen Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo, der zu 80 Prozent von Kosovo-Albanern besiedelt ist, aber formell zu Serbien gehört, setzten die Delegierten unter Zeitdruck. Mit dem 55-jährigen Fatmir Sejdiu hat sich ein Kandidat durchgesetzt, der als zuverlässig und kompromissbereit gilt. Javier Solana, EU-Koordinator für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Brüssel, verbuchte Sejdius Kandidatur als „sehr gute Nachricht“.
Fatmir Sejdu ist seit zehn Jahren Generalsekretär der LDK und Präsidiumsmitglied des kosovarischen Parlaments. Dennoch ist er in der Öffentlichkeit bislang wenig bekannt. Auf der Webseite des Parlaments ist eine karge Biographie zu finden. Demnach wurde der Politiker am 23. Oktober 1951 in Pakastice bei Podujevo geboren, er ist Juraprofessor an der Universität Pristina, verheiratet und hat drei Söhne. Neben seinem Sitz im Präsidium ist er aktiv in den Ausschüssen für Geschäftsordnungsfragen und für EU-Integration und besitzt französische und englische Sprachkenntnisse.
Aus Medienberichten ist zudem bekannt, dass Sejdiu im November 1996 in Serbien einen schweren Autounfall überlebte. Während Rugova zeitlebens die selbsternannte kosovarische Befreiungsarmee UÇK mit Nichtachtung strafte, hat Sejdiu zumindest früh den Kontakt zu ihr gesucht. 1998 bemühte er sich, die albanische Bevölkerung vor den Auswirkungen der eskalierenden Kämpfe der UÇK gegen serbische Polizei und Behörden zu schützen.
Im August 1999 war Sejdiu im UN-Transitional Council aktiv, dem Vorgänger der späteren UNMIK-Verwaltung im Kosovo und 2001 an der Ausarbeitung des Constitutional Framework der UNMIK beteiligt. Dass Rugovas Politik des kompromisslosen Beharrens auf kosovarischer Unabhängigkeit die Fronten bis zur Unbeweglichkeit verhärtete, hat der 55-jährige Sejdiu stets bedauert.
Im April 2005 vertrat Sejdiu den Kosovo bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II., Ende Januar 2006 organisierte er schließlich die Beisetzung Rugovas. Jetzt übernimmt er dessen Posten. Als sein „Königsmacher“ bei der LDK gilt der Dichter und Literaturwissenschaftler Sabri Hamiti. Der Jugendfreund und spätere Schwager Rugovas verfügt in der LDK über den größten Einfluss, strebt selber aber kein politisches Amt an.
Ursprünglich galt Parlamentspräsident Nexhat Daci als Favorit auf das Amt des Präsidenten. Sein Handicap ist allerdings seine nicht-kosovarische Herkunft, seine politische Passivität in den 1990er Jahren sowie sein autoritärer Führungsstil. Dies lässt sich aus jüngsten LDK-Erklärungen herauslesen.
Drei Monaten standen laut Verfassung für die Wahl des neuen Präsident des Kosovo zur Verfügung. Diese Terminvorgabe hat man überraschend deutlich unterboten. Dahinter steht unzweifelhaft der Termindruck des für den 20. Februar in Wien anberaumten Beginns der Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo. Der neue Präsident wird die kosovarische Delegation leiten, und das ist nicht nur eine repräsentative Funktion.
Sejdiu habe „keine Feinde“, hieß es bislang in kosovarischen Medien, aber in den Tagen vor seiner Wahl tauchten Drohbriefe mit folgendem Tenor auf: „Wer Sejdiu wählt, verhindert Kosovos Unabhängigkeit und wird zum Feind der Kosovaren“. Danach wurde Sejdius Wohnsitz in der Abdyl-Ramaj-Straße in Pristina strenger bewacht: „Ich bin Realist und kenne das Kosovo gut“ erklärte Sejdiu, „es muss vor allem Frieden mit sich selber und mit allen seinen Nachbarn schließen“.
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