Polen

SS-Uniformen made in Poland

Poznań (n-ost) - Die Posener Firma „Hero Collection“ hat sich auf historische Kostüme spezialisiert. Die beiden Brüder Roman und Krzysztof Kloskowski haben schon die Filme „Der Untergang“, „Sophie Scholl“ und „Speer und Er“ mit authentischen Uniformen aus der Nazi-Zeit ausgestattet. Doch nicht nur Filmemacher kaufen in Posen ein, auch die in Polen sehr populären „Rekonstruktionsgruppen“ haben einen hohen Bedarf an nachgemachten Uniformen aus dem Dritten Reich.

Die Firma hat ihren Sitz in einer kleinen Villa aus den sechziger Jahren. Im großen Garten haben die beiden Brüder Krzysztof und Roman Kloskowski eine Näherei und ein Lager bauen lassen. Ihre Firma ist bestens im Geschäft, sie produziert Anzüge für die uniformierten Dienste in Polen und beschäftigt damit 100 Mitarbeiter. International bekannt wurden die Posener durch einen Nebenerwerb: Ihre Spezialität sind historische Uniformen, insbesondere deutsche Uniformen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Für Roman Polańskis Oscar prämierten Film „Der Pianist“ wurden in Posen die Uniformen aller Hauptdarsteller hergestellt. Auch die Kostüme für die deutschen Filme „Der Untergang“, „Napola“, „Sophie Scholl“, „Staufenberg“ und ein Dutzend weiterer internationaler Produktionen stammen zum großen Teil von den Brüdern Kłoskowskis.

Angefangen habe alles im Jahr 2000 mit dem amerikanischen Film „The Grey Zone“, erinnert sich Roman Kloskowski. Damals sei er mit einem seiner Schneider extra zum Drehort nach Bulgarien geflogen, um die Maße von Hollywood-Star Harvey Keitel zu nehmen, der die Rolle eines deutschen Oberscharführers im KZ Auschwitz übernommen hatte. „Sobald ein Schauspieler eine Uniform anzieht, beginnt er, ein anderer Mensch zu sein“, hat Roman Kloskowski beobachtet. Auch Landser-Uniformen aus dem Ersten Weltkrieg sind in seinem Sortiment zu finden. Damit alles möglichst echt wirkt, kauft Kloskowski Original-Uniformen an oder sucht nach alten Schnittmustern. Ihren Uniformstoff beziehen die beiden Polen aus Deutschland, dennoch könnten sie preiswerter produzieren, als die Konkurrenz.

Dass sich ausgerechnet in einem Land, das schwer unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatte und 17 Prozent seiner Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg verlor, ein schwunghafter Handel mit Nazi-Uniformen entwickelt, ist für viele Deutsche schwer zu verstehen. Tatsächlich aber geht man in Polen erstaunlich unbedarft mit der Nazi-Vergangenheit um.
Groß geworden sind die Kloskowskis mit der Produktion von historischen Uniformen für so genannte Rekonstruktionsgruppen (Grupa rekonstrukcyjna), die im ganzen Land entstanden sind. Vor allem junge Leute treffen sich hier und spielen Schlachten aus dem Zweiten Weltkrieg nach. Dabei werden sie auch von Stadtverwaltungen nach Kräften unterstützt, denn die Militaria-Spektakel sind ein Touristenmagnet. Die Rekonstruktion der „Schlacht an der Bzura“, die am 19. September 1939 den Blitzkrieg Nazi-Deutschlands gegen Polen entschied, lockte im vergangenen Jahr über 20 000 Besucher an. Rekonstruktionsgruppen brauchen Uniformen - auch von Einheiten der SS und der Wehrmacht. So gibt es in Polen auch Rekonstruktionsgruppen für die 9. SS-Panzer-Division „Hohenstaufen“ und die 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division.

Piotr Janiszewski, 31, ein gelernter Automechaniker aus Bydgoszcz (Bromberg) hat eine besondere Marktlücke entdeckt. Vor zwei Jahren machte er sich mit einer Näherei selbstständig. Sein erstes Produkt – Schulterstücke der SS – verkaufte sich bestens. Inzwischen hat sich sein Angebot an historischen Abzeichen erweitert. Seine aktuelle Kundenliste enthält sogar ein Museum aus Chicago. Auch Deutsche kaufen bei Janiszewski ein. Meist seien es etablierte Leute wie Ärzte oder Rechtsanwälte, die sich seltene Wehrmachts- oder SS-Uniformen nähen ließen. Allerdings seien seine Uniformen etwas kleiner und nur für Schaufensterpuppen gedacht, betont Janiszewski. Auf Medien, die ihm die Verherrlichung der Nazi-Zeit vorwerfen, ist er nicht gut zu sprechen.

Der Posener Uniformproduzent Krzystof Kloskowski, der selbst in Rekonstrukionsgruppen aktiv ist und über eine große Sammlung historischer Helme verfügt, hält sein Hobby für völlig harmlos und stellt es in eine Linie mit Sammlern historischer Autos oder Fans mittelalterlicher Ritterspiele. Es gehe nicht um Ideologie oder Politik, einfach um Freude am Sammeln oder am historischen Rollenspiel. Nebenbei sei die Rekonstruktion einer Schlacht ein toller Geschichtsunterricht. Ausdrücklich distanzieren sich die Kloskowskis von Mitgliedern der inzwischen aufgelösten Posener Rekonstruktionsgruppe „Groß Deutschland“. Diese machten sich einen Spaß daraus, im offenen Wagen mit SS-Uniformen durch die Stadt zu fahren. Derartige Vorfälle lassen langsam die Sensibilität wachsen. Um schwarze Schafe frühzeitig zu erkennen, überprüfen Rekonstruktionsgruppen wie etwa der Verein „Pomerania“ inzwischen ihre Neumitglieder darauf, ob sie mit dem Gesetzt in Konflikt gekommen sind.

Sehr schwunghaft entwickelt sich in Polen auch der Handel mit echten Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg. Entsprechende Fachzeitschriften wie „Militaria XX w.“ sind an fast allen Kiosken des Landes zu kaufen. Für Tomek, einen Händler, der seinen Nachnamen nicht preisgeben möchte, ist der Verkauf von Weltkriegsrelikten ein gutes Geschäft. Bis zu 20.000 Euro ließen sich damit in drei bis vier Monaten verdienen. Besonders lukrativ sei der Verkauf ins Ausland. Ein Helm der Wehrmacht, der im Westen etwa 400 Euro wert sei, koste in Polen höchstens 400 Zloty (100 Euro).

Waldemar Więckowski, Staatsanwalt des Instituts für nationales Gedenken (IPN) in Posen, meint, dass man gegen den Militaria-Handel wenig unternehmen könne. Sogar „Mein Kampf“ werde in Polen publiziert, sagt er. Więckowskis Warschauer Kollege Witold Kulesza kommentiert die Begeisterung für Nazi-Uniformen mit bitterer Ironie: „Hitler muss sich in der Tiefe der Hölle vor Lachen krümmen.“ Nach Angaben des Posener Amtsgerichts gibt es derzeit nicht ein einziges Verfahren gegen Händler und Produzenten von Nazi-Memorabilia. „Geschmacklos“ nennt der Posener Amtsrichter Sławomir Bonowicz den lockeren Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg, fügt aber an, dass sich Neonazis generell ja anders kleiden würden. Der Richter hält die Sammler von Wehrmachtsuniformen daher für ähnlich harmlos wie Sammler von Batman-Kostümen.

Militaria-Händler Tomek kann dem neuen polnischen Kult um die Vergangenheit eigentlich auch nichts abgewinnen. Seine Vorfahren haben in Auschwitz gelitten. Aber Geschäft sei eben Geschäft, das würde auch seine Familie verstehen.

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