Krise schafft Wiedergeburt der Linken
WARSCHAU (n-ost) - Die anhaltende parlamentarische Krise in Polen hat den ersten Krisengewinner hervorgebracht: Die Linke, die nach dem rechtskonservativen Doppelsieg der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Herbst in der politischen Bedeutungslosigkeit versank, holt wieder auf. Für die wahrscheinlichen Neuwahlen wird einem Bündnis der beiden postkommunistischen Parteien SLD (Demokratischer Linksbund) und SdPl (polnische Sozialdemokratie) wachsende Chancen eingeräumt. In einer Umfrage des privaten Fernsehsenders TVN käme es als drittstärkste Partei derzeit auf 14 Prozent. Gleichzeitig sinkt die Zustimmung für die derzeit führenden Parteien. Die PiS liegt demnach noch bei 28 Prozent; im Parlament hätte sie neun Sitze weniger als bisher. Die liberale Bürgerplattform PO käme auf 23 Prozent der Stimmen.
Am gestrigen Dienstag ging die parlamentarische Pause mit der dritten Lesung des Nachtragshaushaltes zu Ende. Die Parteien hatten sich auf ein elftägiges Memorandum geeinigt, weil die PiS-Regierung keine Aussicht auf eine Mehrheit bei der Haushaltsabstimmung hatte. Die fehlt nun immer noch. Und während das bürgerliche und das rechte Lager, zu dem noch die populistischen Bauernparteien Samoobrona (Selbstverteidigung) und PSL (Polnische Volkspartei) und die erzkonservative Liga der Polnischen Familien (LPR) gehören, sich nicht einigen konnten, hat sich ein neues Linksbündnis formiert. In einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden Wojciech Olejniczak (SLD) und Marek Borowski (SdPl) heißt es: „Man muss die Truppen der Brüder Kaczynski in ihrem Marsch aufhalten, das Recht, die öffentliche Meinung und die demokratischen Gepflogenheiten zu bekämpfen“. Auch in verschiedenen Verwaltungsbezirken, so in West-Pommern und Lubuskie, wurde das SLD/SdPl Bündnis bereits auf regionaler Ebene verkündet.
Gegen die Kaczynski-Brüder wolle man sich „in einem zweiten Schritt auch mit den Grünen und der Demokratischen Partei“ zusammentun. Möglichst unter Führung des ehemalige Präsidenten Aleksander Kwasniewski, der vor Weihnachten von Lech Kaczynski, dem Zwillingsbruder des PiS Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, abgelöst wurde, aber im Lande immer noch zu den beliebtesten Politikern zählt. Kwasniewski weilt derzeit bei seiner Schwester im Schweizer Kurort Klosters. Dorthin reiste ihm der ehemalige polnische Innenminister Ryszard Kalisz nach, um den Ex-Präsidenten von diesem Plan zu überzeugen. Der Hoffnungsträger selbst hat sich noch nicht offiziell zu Wort gemeldet. Nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt ist er ohne feste Beschäftigung und mit gerade einmal 51 Jahren im besten Politikeralter. Kwasniewskis Hoffnung auf die Nachfolge von UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte sich am Widerstand Russlands zerschlagen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Ex-Kommunist zum Hoffnungsträger der Linken wird: Aus den Trümmern der Vereinigten Arbeiterpartei, die sich Anfang 1990 selbst aufgelöst hatte, schmiedete der damals Fünfdreißigjährige das Wahlbündnis der Vereinigten Linken. Der ehemaligen Jugend- und Sportminister der sozialistischen Volksrepublik Polen machte die Postkommunisten drei Jahre später zur stärksten Partei. Und schließlich siegte Kwasniewski bei den Präsidentschaftswahlen 1995 gegen den amtierenden Präsidenten Lech Walesa. Im vergangenen Jahr endete dann seine zweite verfassungsmäßige Amtszeit.
In Kwasniewskis Präsidentschaft fielen sowohl der polnische NATO-Beititt, als auch die Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union. Innenpolitisch allerdings zerstörten Korruptionsskandale das Ansehen der Postkommunisten, von denen sich viele bei der Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe bereicherten. Im Frühjahr 2004 spaltete deshalb der damalige Parlamentspräsident Marek Borowski (Wahlslogan: „Ein wahrer Mensch der Linken“) die SdPl von der SDL ab, um sich von den alten Seilschaften loszusagen. Doch die SLD zerbrach ohnehin: Zusammen mit Parteichef Jozef Oleksy, dem die Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit nachgewiesen wurde, trat zu Beginn des Superwahljahres 2005 die gesamte Parteiführung zurück.
Das Debakel der Linken schien komplett, als ihr Präsidentschaftskandidat Wlodzimierz Cimoszewicz in Verdacht geriet, seine Vermögenserklärung manipuliert zu haben, und wenige Tage vor der Parlamentswahl im September 2005 ebenfalls zurücktrat. Seither stehen die politischen Zeichen in Polen auf rechts: „Daher braucht Polen jetzt eine starke Linke“, sagt SLD-Chef Olejniczak, „Mit oder ohne die Figur Kwasniewski“.
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