Polen macht Pause
Warschau (n-ost)- Zwei Monate nach Bildung der Minderheitsregierung durch die rechtskonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) um Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz ist diese Regierung am Ende. Das Parlament, der Sejm, ist vor der fälligen Abstimmung für den Haushalt 2006 blockiert. Vorläufiger Höhepunkt ist eine parlamentarische Pause, ein Memorandum bis zum 25. Januar, auf das sich sämtliche Parteien geeinigt haben.
„Entweder es gibt in diesem Parlament eine Koalition oder es gibt Neuwahlen“, sagte der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski zu der sich im Laufe der Woche zuspitzenden Krise. Die letzte Nachricht lautet, dass Kaczynski eine Koalition mit den rechtspopulistischen Bauernparteien Samoobrona und PSL sowie der nationalkatholischen Liga der polnischen Familien (LPR) anstrebe. Dazu sagte der Samoobrona-Vorsitzende und europaweit bekannte Rechtspopulist Andrzej Lepper gestern (Freitag) im polnischen Fernsehen: „Es ist doch klar, dass die PiS eine Koalition will – und wir sind dazu bereit“.
Am Vortag noch sah es nach einer großen Koalition mit der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) aus, der größten Oppositionspartei. Die Abstimmung über den Haushalt und die instabilen Mehrheitsverhältnisse hatten zu einer Annäherung der Parteien geführt: Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski und der PO-Vorsitzende Donald Tusk trafen sich zu einem offiziellen Sondierungsgespräch. Auf der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz sagte Kaczynski: „Wir haben über eine mögliche Koalition gesprochen, aber nicht über den Haushalt“. Tusk bestätigte das mit dem Hinweis, dass „dieser Streit keinen Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen zwischen der PO und der PiS hat“.
Einen Tag zuvor hatte Tusk sich bereits mit Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz zu einem vertraulichen Gespräch getroffen. Nach den Parlamentswahlen am 25. September waren offizielle Koalitionsverhandlungen zwischen PiS und PO allerdings an Personalfragen gescheitert, mit dem Ergebnis einer PiS-Minderheitsregierung. Die ist seither auf Kompromisse mit der rechtspopulistischen Partei „Selbstverteidigung“ (Samoobrona) und der nationalkatholischen „Liga Polnischer Familien“ (LPR) angewiesen.
Während die PO in der hitzigen Situation bisher nicht durch laute Töne auffiel, verdeutlichte die rechte Opposition ihren Machtanspruch lautstark, so wie der LPR-Vorsitzende Roman Giertych, der gleichzeitig das Amt des Parlamentspräsidenten haben will: „Die PiS ist eine Gruppe von Leuten, die das ganze Land kontrolliert. Sie haben den Präsidenten und stellen die Regierung und den Parlamentspräsidenten, aber im Parlament herrschen andere Mehrheitsverhältnisse“, sagte Giertych nach der Haushaltsdebatte. Dabei ging es zunächst um den Termin der Abstimmung, die vor der vereinbarten Parlamentspause noch für morgen (Samstag) angesetzt war.
Der Haushalt selbst ist thematisch zwar in den Hintergrund gerückt, aber allein die PO will den Haushaltsentwurf in 70 Punkten ändern: „Mit diesem Haushalt kann niemals das Ziel einer schlanken Verwaltung erreicht werden, auch die geplante Entschuldung der polnischen Staatsbahn sehe ich hier nicht“, sagte Jan Rokita, der Vorsitzende des einflussreichen Parlamentarierclubs der PO. Der PiS Entwurf sieht eine Neuverschuldung von acht Mrd. Euro vor; demnach liegt der Haushalt bei rund 59 Mrd. Euro. Unterdessen fordern die rechten Parteien mehr Geld für Arbeitsmarktprogramme, eine Rentenerhöhung (Samoobrona) und mehr Geld für den Straßenbau (LPR).
Sollten die Koalitionsverhandlungen und damit wohl auch die spätere Abstimmung über den Haushalt scheitern, würden im April Neuwahlen stattfinden, „vor denen ich keine Angst habe“, so Kaczynski, der auf die guten Umfragewerte seiner Partei verweist: In der seriösen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ (Meinungsforschungsinstitut PBS) stand die PiS gestern (Freitag) bei 39 Prozent der Stimmen, zwölf Prozent mehr als bei den Wahlen im Herbst. Die PO käme auf 29 Prozent, eine Verbesserung um fünf Prozent. Die übrigen Oppositionsparteien würden nach dieser Umfrage durchgängig verlieren.
Noch allerdings laufen auch die Gespräche zwischen PiS und PO, die bereits mit dem Wechsel des Finanzressorts vor einer Woche begonnen hatten: Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz hatte die konservative Teresa Lubinska durch die marktliberale Zyta Gilowska ersetzt und sie auch zur Vizeregierungschefin ernannt. Anschließend hatte er in einer Fernsehansprache angedeutet, dass er zu Koalitionsverhandlungen mit der PO bereit sei.
Der Soziologie-Professor Jadwiga Staniszkis sieht, wie viele Beobachter in Polen, eine PiS-PO Koalition als beste aller Regierungsmöglichkeiten: „Wir sehen ja in vielen Ländern der Europäischen Union, dass so etwas funktionieren kann, nicht zuletzt auch in Deutschland“.
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