Deutsche Politiker für Polnisches Museum in Berlin
Berlin (n-ost) – Politiker von CDU und SPD haben sich für ein Polnisches Museum in Berlin ausgesprochen. Diese Einrichtung solle „den Deutschen die polnische Geschichte in ihrer ganzen Breite näher bringen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) dieser Zeitung. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Angelica Schwall-Düren, begrüßte den Vorschlag des ehemaligen CDU-Generalsekretärs. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft, der sie vorsteht, sei als Nichtregierungsorganisation gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.
Mit ihrer Idee eines Berliner Museums über polnische Geschichte nach dem Vorbild des Jüdischen Museums reagieren beide Politiker auf die Warschauer Forderung nach einem "Zentrum des polnischen Martyriums". Der Vizepräsident des Parlaments (Sejm), Marek Kotlinowski, will mit einem Antrag die polnische Regierung für eine Berliner Gedenkstätte für die Nazi-Opfer seines Landes gewinnen. Der 49-jährige Vorsitzende der ultrakonservativen Liga Polnischer Familien versicherte dieser Zeitung, seine Parlamentsinitiative für ein derartiges Berliner Zentrum solle "verbinden, nicht neue Gräben schaffen". Den Vorstoß begründet er so: "Zur Freundschaft zwischen Deutschen und Polen gehört, dass wir die gemeinsame Geschichte kennen."
Polenz und Schwall-Düren plädieren im Gegensatz zu Kotlinowski für ein Museum, das die deutsch-polnische Geschichte wesentlich umfassender zeigt. "Solch ein Museum könnte außer dem Leid auch herrliche Augenblicke in der polnischen Geschichte zeigen. Das wäre sicherlich eine gute Sache", erklärte Polenz am Freitag in Breslau (Wroclaw), dem letzten Tag seines fünftägigen Polenbesuchs. Er denke jedoch nicht an ein deutsch-polnisches Gemeinschaftsprojekt. „Die Initiative für das Museum kann nur von der polnischen Seite ausgehen“, sagte er. Die Stadt Berlin wäre an so einer Einrichtung sicherlich interessiert. Mit seiner ersten Auslandsreise als Ausschussvorsitzender wollte der CDU-Politiker die Bedeutung der Beziehung zum östlichen Nachbarland unterstreichen.
Die SPD-Politikerin Schwall-Düren bezweifelte gegenüber dieser Zeitung, dass ein "Zentrum des polnischen Martyriums" die beste Form dafür ist, die polnische Geschichte in Berlin erlebbar zu machen: „Denn dies würde bedeuten, unsere östlichen Nachbarn in der deutschen Hauptstadt auf eine Opferrolle zu beschränken. Ich weiß nicht, ob das wirklich das Bild ist, dass die meisten Polen transportieren möchten.“ Es lohne sich vielmehr, den Deutschen den gesamten kulturellen und historischen Reichtum Polens und der deutsch-polnischen
Beziehungen näher zu bringen. Natürlich müsse in einem Berliner "Museum der deutsch-polnischen Geschichte" die Zeit der deutschen Okkupation einen angemessenen
Platz haben, meinte Schwall-Düren.
Der FDP-Kulturpolitiker Christoph Waitz lehnte die Warschauer Initiative dagegen klar ab. „Nach unserer Meinung ist ein Zentrum in Berlin für ein gesondertes Gedächtnis an die polnischen Opfer des Nationalsozialismus nicht der richtige Weg“, um die Auseinandersetzung mit der deutsch-polnischen Geschichte zu ermöglichen, sagte er dieser Zeitung. Der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, Dieter Bingen, befürchtet: „Ein weiterer Erinnerungsort in Berlin könnte womöglich mehr Abwehr als Interesse und Empathie wecken.“ Er wirbt stattdessen für ein "Polnisches Historisches Institut" in Berlin.
Vorschläge für ein Polnisches Museum in Berlin gibt es schon länger. So hatte der ehemalige polnische Botschafter, Janusz Reiter, 1999 für ein Museum der deutsch-polnischen Beziehungen plädiert. Reiter hatte dabei im Sinn, einen Ort der Erinnerung einzurichten, der der Komplexität und dem Empathiebedürfnis in den deutsch-polnischen Beziehungen gerecht wird.
Die Idee für ein "Zentrum des polnischen Martyriums" stammt ursprünglich aus Berlin. Der Anwalt Stefan Hambura (44) wirbt seit einem halben Jahr in Zeitungsbeiträgen beiderseits der Oder dafür. "Es ist an der Zeit, so etwas in der Mitte von Berlin einzurichten", sagte der in Schlesien geborene Deutsche dieser Zeitung. "Die Wissenslücken über das Leid, das Deutsche Polen zugefügt haben, müssen beseitigt werden." Fast allen Bundesbürgern sei unbekannt, dass über 800 polnische Dörfer während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen niedergebrannt und deren Bevölkerung ermordet wurde. Hambura unterhält enge Kontakte zu rechten polnischen Parteien, besonders der Familienliga. 2004 hatte der Berliner Anwalt mit einem Gutachten dazu beigetragen, dass das polnische Parlament in einer Resolution Kriegsreparationen von Deutschland forderte.
Ausgelöst hat den deutsch-polnischen Streit unter anderem das in Berlin geplante "Zentrum gegen Vertreibungen". Dessen Initiatorin, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), hält sich bedeckt: "Ich habe keinen Anlass, die Idee von Herrn Kotlinowski zu kommentieren." Der Sejm-Vizepräsident will sein Projekt ebenfalls nicht mit der Vertriebenen-Gedenkstätte in Verbindung bringen.
Die Polen wären die dritte Opfergruppe, die nach dem im vergangenen Mai eröffneten "Denkmal für die ermordeten Juden Europas", dem so genannten Holocaust-Mahnmal, eine zentrale Gedenkstätte in Berlin wünscht. Dieses Jahr sollen bereits mit Unterstützung des Bundestages Mahnmale für Sinti und Roma sowie Homosexuelle entstehen. Für eine der größten Opfergruppe der Nazi-Politik, die sechs Millionen getöteten Polen, macht sich bislang keine Bürgerinitiative stark. Bezogen auf seine Größe verlor Polen mit 17 Prozent mehr Einwohner als jedes andere Land.
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