Warschau schlägt eine Gedenkstätte in Berlin vor
Berlin/Warschau (n-ost) – Auf Berlin kommt eine neue Mahnmal-Debatte zu: Der Vizepräsident des polnischen Parlaments, Marek Kotlinowski, fordert ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ in der deutschen Hauptstadt. Der Vorsitzende der regierungsnahen Liga Polnischer Familien will für seine Initiative zunächst eine Mehrheit im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, finden, kündigte er gegenüber dieser Zeitung an. Die Chancen dafür stehen gut.
„Zur Freundschaft zwischen Deutschen und Polen gehört, dass wir die gemeinsame Geschichte kennen“, meint Kotlinowski und versichert: Die Berliner Gedenkstätte für die polnischen Opfer des Nationalsozialismus solle „verbinden, nicht neue Gräben schaffen“. Seine streng katholische und nationalistische Partei ist jedoch für anti-deutsche Töne bekannt.
Diesmal gibt sich Kotlinowski ganz überparteilich, obwohl der Antrag für ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ nur von der Liga Polnischer Familien stammt. Die anderen Parteien haben sich noch nicht geäußert. Zumindest die rechtskonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz, der auch der polnische Präsident Lech Kaczynski angehört, wird für das Anliegen offen sein. Denn ihre Minderheitsregierung arbeitet mit der Liga eng zusammen und sicherte sich so eine Mehrheit im Parlament.
Bereits im Sommer 2003 hatte der ehemalige polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski ein „Zentrum für deutsch-polnische Beziehungen in den Jahren 1772 bis 1945“ in Posen (Poznan) ins Spiel gebracht. Er sah ein Museum über die negative deutsche Polenpolitik (1772 wurde Polen unter Beteiligung Preußens das erste Mal geteilt) als denkbare Antwort auf das in Berlin geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“. Bartoszewski, ein Wegbereiter der deutsch-polnischen Verständigung, kam aber zu dem Schluss: So ein Posener Museum „wäre gegen den Geist der Versöhnung“. Sejm-Vizepräsident Kotlinowski will sein Projekt allerdings nicht mit der vom Bund der Vertriebenen geplanten Gedenkstätte in Verbindung bringen.
Die Idee für ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ stammt ursprünglich aus Berlin. Der Anwalt Stefan Hambura (44) plädiert seit vorigem Jahr in Zeitungsbeiträgen beiderseits der Oder dafür. „Es ist an der Zeit so etwas in der Mitte von Berlin einzurichten“, sagte der in Schlesien geborene Deutsche dieser Zeitung. „Die Wissenslücken über das Leid, das Deutsche Polen zugefügt haben, müssen beseitigt werden.“ Fast allen Bundesbürgern sei unbekannt, dass über 800 polnische Dörfer während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen niedergebrannt und deren Bevölkerung ermordet wurde.
Hambura unterhält enge Kontakte zu rechten polnischen Parteien, besonders der Familienliga. 2004 hatte der Berliner Anwalt mit einem Gutachten dazu beigetragen, dass das polnische Parlament in einer Resolution Kriegsreparationen von Deutschland forderte. Ende dieser Woche will Kotlinowski gemeinsam mit ihm auf einer Pressekonferenz in Warschau die Initiative für das Zentrum vorstellen.
Die Polen wären die dritte Opfergruppe, die nach dem im vergangenen Mai eröffneten „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, dem so genannten Holocaust-Mahnmal, eine zentrale Gedenkstätte in Berlin wünscht. Dieses Jahr sollen bereits mit Unterstützung des Bundestages Mahnmale für Sinti und Roma sowie Homosexuelle entstehen. Für eine der größten Opfergruppe der Nazi-Politik, die sechs Millionen getöteten Polen, macht sich bislang keine Bürgerinitiative stark.
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