Usbekistan

Der Schatten von Andischan

Der usbekische Innenminister Sakir Almatow, der den blutigen Einsatz gegen eine Demonstration in Andijan geleitet hatte und der sich Ende letzten Jahres wegen Rückenmarkkrebs in einer Spezialklinik in Hannover behandeln ließ, ist nun endgültig abgelöst worden. Wie die offizielle usbekische Nachrichtenagentur UzaA.Zu meldete, wurde Bachodir Matljubow vom usbekischen Präsidenten Islam Karimow zum neuen Innenminister ernannt. Matjlubow war bis 2001 stellvertretender Innenminister gewesen. Zuletzt hatte er das Zoll-Komitee von Usbekistan geleitet.

Während seines Deutschland-Aufenthaltes hatte die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ Sakir Almatow, auch bekannt als „Schlächter von Andischan“, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angezeigt. Kurze Zeit später – der Generalbundesanwalt prüfte noch, ob Ermittlungen aufgenommen werden – floh Almatow aus der Spezialklinik in Hannover zurück nach Taschkent. Dort reichte er – wie es heißt, aus Gesundheitsgründen - seinen Rücktritt ein.

Die Anzeige der Menschenrechtsorganisation richtete sich nicht nur gegen Almatow sondern noch gegen elf weitere Personen, gegen die die Europäische Union wegen ihrer direkten Verantwortlichkeit für das Massaker im ostusbekischen Andischan ein Einreiseverbot verhängt hatte. Im Fall Almatow hatte das Auswärtige Amt aus „humanitären Gründen“ eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Präsident Karimow verlieh Almatow, der das Innenministerium seit 1991 geleitet hatte, einen Orden „für besondere Dienste“ und ernannte zunächst den stellvertretenden Geheimdienstchef Anwar Salichbajew zum Nachfolger. Doch diese Ernennung war wie sich jetzt herausstellt nur vorübergehend.

Hintergrund des Hin- und Her ist offenbar ein schon länger andauernder Machtkampf um die Nachfolge des Präsidenten. Auch Islam Karimow ist nicht bei guter Gesundheit. Hinter den Kulissen stritten bisher Geheimdienstchef Rustam Inojatow – ein Vertreter des „Clans von Taschkent“ – und Sakir Almatow als Vertreter des „Clans von Samarkand“, schreibt der Moskauer „Kommersant“.

Unterdessen versucht die Führung von Usbekistan ihre Interpretation der Unruhen von Andijan als terroristischer Angriff und Versuch eines Staatsstreiches durch immer neue Gerichtsurteile zu untermauern. In den letzten Wochen wurden elf Polizisten zu Strafen von eineinhalb bis elf Jahren verurteilt. Unter den Verurteilten ist Dilmurod Okmirsajew, bisher Leiter der Polizei des Gebiets Andischan. Die Polizisten wurden jedoch nicht wegen maßloser Gewalt gegen Demonstranten verurteilt, sondern weil sie die Unruhen von Andijan nicht verhindert hatten. Die hohen Polizeibeamten hätten von der sich verschlechternden Sicherheitslage gewusst, aber keine Gegenmaßnahmen ergriffen.

In der Nacht auf den 13. Mai 2005 hatten Unbekannte mehrere Kasernen überfallen, Waffen erbeutet und dann das Gefängnis von Andischan gestürmt. Am nächsten Tag kam es dann unter Teilnahme der Bewaffneten zu einer Kundgebung vor dem Gebäude der örtlichen Verwaltung. Die Bürger – darunter viele zufällige Passanten und Frauen mit Kindern – sprachen über ein Mikrophon über die schlechte soziale Lage und die korrupte Verwaltung. Die Kundgebung wurde mit Gewalt aufgelöst. Nach offiziellen Angaben kamen dabei 187 Menschen ums Leben, Menschenrechtsgruppen gehen dagegen von 500 bis 1.000 Toten aus.

Wie „Radio Liberty“ berichtete wurden bisher insgesamt 131 „Terroristen“ aus Andischan und 19 Polizisten zu Haftstrafen von bis zu 22 Jahren verurteilt worden. Die ersten 15 angeblichen Teilnehmer der Unruhen waren Mitte November in einem Schauprozess verurteilt worden. Alle weiteren Prozesse fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Alle Angeklagten hatte sich zu ihrer Schuld bekannt, was nach Meinung von Menschenrechtlern kein Wunder ist, weil die Folter in Usbekistan zum Gefängnisalltag gehört. Nach Berichten von Menschenrechtsgruppen sitzen in Usbekistan 7.000 Menschen aus politischen Gründen im Gefängnis.


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