Sauber wie ein Wassertropfen?
Danzig (n-ost) – Im Archiv des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) in Danzig, vergleichbar mit der deutschen Gauck-Behörde, befinden sich rund 70 Ordner und einige hundert Mikrofilme über Lech Walesa. Die Dokumente füllen einen halben Raum. „Ich müsste hier mindestens zwei Monate verbringen, um alles durchzuschauen“, stellte Walesa nach seinem Besuch im IPN fest.
Erst im November war Walesa der „Status des Benachteiligten“ vom IPN verliehen worden, mit dem das Recht auf Akteneinsicht verbunden ist. Auf diese Bescheinigung hatte Walesa, Friedensnobelpreisträger des Jahres 1983, acht Monate ungeduldig gewartet.
Während im Ausland kaum jemand anzweifeln würde, dass der ehemalige Anführer der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc zu den Verfolgten des kommunistischen Regimes zählte, halten sich in Polen bis heute hartnäckig die Gerüchte, der Mann mit dem Schnauzbart sei in Wahrheit ein Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes SB gewesen. Verstärkt hatte sich die Diskussion Ende 2004. Damals erschien unter dem Titel „Oczami bezpieki“ (deutsch: Mit den Augen des Geheimdienstes) ein Buch des polnischen Historikers Slawomir Cenckiewicz, der in der Danziger Abteilung des IPN arbeitet. In dem Buch wird spekuliert, dass sich hinter dem Agenten-Decknamen „Bolek“ Lech Walesa verbergen könnte. Das Buch löste heftige Angriffe auf Walesa von Seiten des nationalkatholischen Senders „Radio Maryja“ und von Gründungsmitgliedern der Solidarnosc wie Andrzej Gwiazda oder Anna Walentynowicz aus.
Doch den Schlussstrich, den sich Lech Walesa von der Bescheinigung des IPN erhofft, wird es nicht geben. Krzysztof Wyszkowski, polnischer Publizist und ehemaliger Solidarnosc-Aktivist, bleibt bei seiner Kritik: „Walesa ist geheimer Mitarbeiter des SB.“ Belege dafür seien im IPN zu finden. „Wenn das IPN verantwortlich handeln würde, dürfte es Lech Walesa den Status des Benachteiligten nicht zuerkennen.“ Tatsächlich will sich bislang kein Mitarbeiter des IPN auf die Formel festlegen, dass Walesa niemals Agent im Auftrag des SB gewesen ist. Nach einer Entscheidung des höchsten polnischen Verwaltungsgerichtes darf der „Status des Benachteiligten“ auch Personen verliehen werden, die ursprünglich mit dem SB zusammengearbeitet, sich dann distanziert haben und schließlich durch den SB verfolgt wurden.
Nach dem Besuch des Danziger Archivs verriet Walesa einige wenige Details aus seinen Akten. Demnach stammt die erste Notiz des Geheimdienstes über Walesa aus dem Jahr 1970, die letzte wurde exakt 20 Jahre später gemacht. „Im Jahre 1990 hatten wir schon ein freies Polen und ich wurde immer noch überwacht“, wunderte sich Walesa. Die Namen seiner Beobachter seien verschlüsselt. „Da gibt es nur Decknamen“, erzählte Walesa. Die meisten Informationen sind seiner Meinung nach uninteressant. Daher habe er kein weiteres Interesse an den Dokumenten. „Ich werde vielleicht jemanden beauftragen, ein Buch darüber zu schreiben.“
Eine wichtige Erkenntnis hat Lech Walesa jedoch aus dem Danziger Institut mitgenommen: „Ich bin sauber wie ein Wassertropfen und habe nichts zu verbergen. Ich könnte diese Unterlagen sogar im Internet veröffentlichen, ohne sie vorher gesehen zu haben“, erklärte der ehemalige polnische Präsident in Richtung seiner Kritiker.
Nach Walesas Theorie sind die Anschuldigen gegen seine Person folgendermaßen zu erklären: Der polnische Geheimdienst habe 1982 alles versucht, die Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn zu verhindern. „Der SB hat daher Briefe nach Oslo geschickt, dass ich ihr Agent war. Im Nobelpreiskomitee waren aber kluge Leute, die mir geglaubt haben“, so Walesa.
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