Kroatien

„Wer soll uns nun schützen?“

Brennende Mülltonnen, mit Tannenbäumen blockierte Straßen, zerschlagene Bushaltestellen und Sprengkörper. So sieht die kroatische Antwort auf die Festnahme des kroatischen Generals Ante Gotovina aus, dem schwere Kriegsverbrechen während der Balkankriege vorgeworfen werden. Auch am Freitagmittag, fast 24 Stunden nach Bekanntgabe der Verhaftung, ist keine Ruhe im Land eingekehrt. Die schärfsten Proteste gab es in den dalmatinischen Städten Zadar und Biograd. Gotovina war nach jahrelangem Versteckspiel am Mittwochabend auf Teneriffa festgenommen worden, mit einem gefälschten Pass. Gotovina wird der Tod von mehr als 150 Serben während des Jugoslawienkrieges von 1991 bis 1995 vorgeworfen. Die USA hatten auf seine Festnahme mehrere Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Kurz nachdem die Verhaftung am Donnerstagmittag in Kroatien bekannt wurde, riefen Veteranen-Organisationen zu landesweiten Protesten auf. Mehrere Tausend Menschen hatten sich bereits am Donnerstagabend auf dem zentralen Ban-Jelacic-Platz in Zagreb versammelt, um ihrem Missmut freien Lauf zu lassen: „Ante, wir halten zu dir“, steht auf Transparenten. „Du bist unser Held“, brüllt ein junger Mann, der in eine Kroatienflagge eingehüllt ist. Ein anderer springt aus der Menge und entblößt seinen Hintern vor laufenden Kameras. Auch vor dem Parlamentsgebäude kamen Anhänger des verhafteten Generals zusammen und harrten dort bis in die späten Abendstunden aus. Elf Personen wurden in Zagreb festgenommen.

„Wer soll uns nun schützen“, fragt die 25-jährige Valentina mit klagender Stimme. Die Universitätsabsolventin ist fest überzeugt davon, dass Gotovina Kroatien „vor den Amerikanern geschützt“ habe, wie sie sagt. Wie Valentina denken viele Menschen im Land. Noch vor kurzem hatten mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihre Loyalität mit Gotovina bekundet und ihn in einer Umfrage als „Helden“ statt „Kriegsverbrecher“ bezeichnet – während die Weltöffentlichkeit die Festnahme begrüßt.

Bezeichnend ist, das die Verhaftung zunächst nicht in Kroatien verkündet wurde – sondern im Nachbarland Serbien. Die Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, machte dies während eines Arbeitsbesuchs in Belgrad. Sie sei sehr froh darüber. Seit September habe man aktiv nach Gotovina gesucht. Del Ponte fügte noch hinzu, dass sie nun auch die Festnahme anderer flüchtiger Hauptkriegsverbrecher, vor allem der Serben Radovan Karadzic und Ratko Mladic, erwarte. Gotovina war über Jahrzehnte ein Zankapfel zwischen dem Kreigsverbrechertribunal und Kroatien gewesen. Zeitweise hatte sich del Ponte sogar gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien gesträubt, mit dem Hinweis, das Land unternehme nicht genug, um den Kriegsverbrecher auszuliefern.

Nachdem die Nachricht der Verhaftung am Donnerstagmittag gegen halb zwei schließlich auch in Kroatien bekannt wurde, verkündete Premier Ivo Sanader vor Journalisten, dass es nun eine Bestätigung sei für all diejenigen, die immer beteuert hätten, das sich Gotovina nicht in Kroatien aufhalte.

In einer Sondersendung des Kroatischen Staatsfernsehens HTV zeigte sich der Vorsitzende der Nationalistischen Kroatischen Rechtspartei, Ante Dapic, betrübt: Es sei nicht nur eine Anklage gegen Gotovina, sondern gegen das gesamte Volk und Präsident Franjo Tudjman. Dapic sprach von einem „Befreiungskrieg“ des kroatischen Volkes.

Das Webportal www.antegotovina.com war fast 24 Stunden lang blockiert, bis zu 500 Zugriffe pro Sekunde wurden verzeichnet. Erst am Freitagvormittag hatte sich der Ansturm ein wenig gelegt. Gotovina wird vermutlich in diesen Tagen nach Den Haag überführt, wo ihn ein Prozess vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal erwartet.


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