Polen

Lech Walesa und der Spionagevorwurf

Danzig (n-ost) – Auf diese Bescheinigung hat Lech Walesa acht Monate gewartet: Das polnische Institut für Nationales Gedenken (IPN) – vergleichbar mit der deutschen Gauck-Behörde – bestätigt dem Friedensnobelpreisträger, vom früheren polnischen Geheimdienst SB verfolgt worden zu sein. Professor Leon Kieres, scheidender Chef des IPN, ist extra nach Danzig gekommen, um Lech Walesa den Brief mit der Erklärung persönlich zu übergeben.

Während im Ausland kaum jemand anzweifeln würde, dass der ehemalige Anführer der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc zu den Verfolgten des kommunistischen Regimes zählte, halten sich in Polen bis heute hartnäckig die Gerüchte, der Mann mit dem Schnauzbart sei in Wahrheit ein Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes SB gewesen. Verstärkt hatte sich die Diskussion Ende 2004. Damals erschien unter dem Titel „Oczami bezpieki“ (deutsch: Mit den Augen des Geheimdienstes) ein Buch des polnischen Historikers Slawomir Cenckiewicz, der in der Danziger Abteilung des IPN arbeitet. In dem Buch wird spekuliert, dass sich hinter dem Agenten-Decknamen „Bolek“ Lech Walesa verbergen könnte. Das Buch löste heftige Angriffe von Seiten des nationalkatholischen Senders „Radio Maryja“ und von Gründungsmitgliedern der Solidarnosc, wie Andrzej Gwiazda oder Anna Walentynowicz, auf Lech Walesa aus.


„Ich habe niemals die Arbeiter und die Idee der Solidarnosc verraten. Ich stand niemals an der Seite der Kommunisten, deren größter Gegner ich war. Ich war niemals ein Agent“, betont Walesa. Und IPN-Leiter Kieres erklärt seinerseits: „Heute bestätigen wir als IPN, dass die Dokumente, die wir im Archiv des Instituts gesammelt haben, uns dazu berechtigen, Lech Walesa als einen Benachteiligten anzuerkennen.“ Der Zufall will es, dass die Danziger Zeremonie in zeitlicher Nähe zum 24. Jahrestag der Ausrufung des Kriegsrechtes in Polen steht. Am 13. Dezember 1981 wurden in Polen die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc verboten und 3000 Menschen interniert, darunter Lech Walesa.

Doch den Schlussstrich, den sich Lech Walesa von der Bescheinigung des IPN erhofft, wird es nicht geben. Krzysztof Wyszkowski, polnischer Publizist und ehemaliger Solidarnosc-Aktivist, bleibt bei seiner Kritik: „Walesa ist geheimer Mitarbeiter des SB.“ Belege dafür seien im IPN zu finden. „Wenn das IPN verantwortlich handeln würde, dürfte es Lech Walesa den Status des Benachteiligten nicht zuerkennen.“ Tatsächlich wollte sich bei der Zeremonie in Danzig Mitte November kein Mitarbeiter des IPN auf die Formel festlegen, dass Walesa niemals Agent im Auftrag des SB gewesen ist. Nach einer Entscheidung des höchsten polnischen Verwaltungsgerichtes darf der „Status des Benachteiligten“ auch Personen verliehen werden, die ursprünglich mit dem SB zusammengearbeitet, sich dann distanziert haben und schließlich durch den SB verfolgt wurden.

Lech Walesa hat eine eigene Theorie zu diesem ganzen Thema entwickelt: Der polnische Geheimdienst habe 1982 alles versucht, die Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn zu verhindern. „Der SB hat daher Briefe nach Oslo geschickt, dass ich ihr Agent war. Im Nobelpreiskomitee waren aber kluge Leute, die mir geglaubt haben“, so Walesa.

Der Status des Benachteiligten berechtigt Lech Walesa nun zur Einsicht in seine Akten. Im Archiv des IPN in Danzig befinden sich einige hundert Ordner zu seiner Person. Diese Papiere will Walesa nun sichten. Allen denjenigen, die ihm weiterhin eine Zusammenarbeit mit dem polnischen Geheimdienst vorwerfen, droht er Prozesse an.


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