Polen

Handkuss für die Bundeskanzlerin

Warschau (n-ost) - „Wir erwarten von ihr eine Öffnung und Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen.“ Mit dieser Hoffnung sieht Polens neuer Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz der Ankunft Angela Merkels in Warschau entgegen.
Die Liste der deutsch-polnischen Streitpunkte ist lang. Unter anderem stehen beim Antrittsbesuch der Bundeskanzlerin in Polen die umstrittene deutsch-russische Ostseepipeline, die heftig umkämpfte Budgetplanung der Europäischen Union und auch das „Zentrum gegen Vertreibung“ auf der Tagesordnung. Diesem von den Vertriebenenverbänden in Berlin geplanten Museum hatte Merkel in ihrer Regierungserklärung ihre Unterstützung zugesagt hat, was in Polen auf großes Missfallen stößt.

Doch noch genießt Angela Merkel in Polen einen Sympathievorsprung. „Vor allem diese lauten öffentlich zur Schau gestellten Verbrüderungsszenen zwischen Gerhard Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sind in Polen nicht gut angekommen“, sagt Euzebiusz Smolar vom Institut für Internationale Beziehungen in Warschau. Enge Freundschaften zwischen Deutschen und Russen machen den Polen Angst. Da werden alte Einkreisungsängste wach. Erinnerungen an Krieg und Zerstörung, die bis heute polnisches Denken und Politik bestimmen.

In Guter Erinnerung ist in Warschau deshalb noch Merkels Besuch im vergangenen August. Sie deutete damals eine Neuausrichtung der deutschen Ostpolitik an. „Wir wollen keine Achse Paris-Berlin-Moskau“ und weiter: „Als DDR-Bürgerin habe ich immer den großen Mut der Polen in der Solidarnosc-Bewegung bewundert“. Solche Sätze haben Hoffnungen geweckt.

Viele Polen sind nun froh, dass die Zeit des Gerhard Schröders vorbei ist, der dem Nachbarn beschied, dass Warschau sich aus der Sache mit der Ostseepipeline heraushalten solle, oder dass er vom polnischen Irakeinsatz nichts hält, und auch nicht von den Brüdern Kaczynski, den neuen Herrschern in Polen. Der eine, Lech Kaczynski wurde zum neuen Präsidenten gewählt. Der andere, Jaroslaw Kaczynski, ist der Chef der rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die nun die Minderheitsregierung unter Kazimierz Marcinkiewicz stellt.

Und vor allem die Brüder Kaczynski waren es, die zuletzt das deutsch-polnische Verhältnis schwer belasteten: Da war von faschistischen deutschen Politikern die Rede, von deutschen Geschichtsfälschern und vom „Ribbentrop-Molotow Pakt“ im Bezug auf die Ostseepipeline, die nicht auf dem Landweg durch Polen, sondern durchs Wasser und damit an Polen vorbei geführt werden soll. „Es ist nun an der Zeit, dass die neue Regierung in Polen diese Haltung ändert, und klare Angebote macht“, sagt der deutsche Botschafter Reinhard Schweppe in Warschau vor dem Merkel-Besuch.

Klaus Ziemer, Leiter des Deutschen historischen Instituts in der polnischen Hauptstadt sagt es so: „Sämtliche PiS-Politiker haben keinerlei außenpolitische Erfahrung und die Bundesregierung weiß das. Daher geht sie nun auf Warschau zu.“
Polen ist das Land der Höflichkeit, die sich schon in der Sprache ausdrückt: Statt „Sie“ sagen die Polen „mein Herr“ oder „meine Dame“, mit etwas Glück kann die „Dame“ Bundeskanzlerin auch mit einem Handkuss von „dem Herrn“ Premierminister rechnen.

Ende


Weitere Artikel