Polen

Kanzlerin Merkel und der neue deutsch-polnische Anfang

Warschau (n-ost) – Bei ihrer Vereidigung als Bundeskanzlerin fügte Angela Merkel die Formel „so wahr mir Gott helfe“ hinzu, was ihr Vorgänger Schröder 1998 und 2002 „unterlassen“ hatte – solche Details werden im katholischen Polen sehr aufmerksam registriert. Die neue deutsche Regierungschefin wird bereits am 2. Dezember Polen besuchen – nach einem Besuch in Paris und noch vor London oder gar Moskau. Das bedeutet, dass Angela Merkel – so die polnische Erwartung – die Prioritäten deutscher Partnerländer, wie sie einst von Kanzler Kohl aufgestellt und beachtet wurde, zu ihrer eigenen macht.

So ist es kein Wunder, dass der neuen deutschen Kanzlerin in Polen derzeit allgemeine Sympathien entgegen schlagen. Und noch ein weiteres gutes Omen, rundet aus Warschauer Sicht den Start der ersten deutschen Kanzlerin ab: Angela Merkel wäre zudem fast zur 40. Wiederkehr eines historischen Ereignisses gewählt worden: Am 18. November 1965 richteten die polnischen Bischöfe einen legendären Brief an ihre deutschen Amtsbrüder, in dem der Satz stand, der das polnisch-deutsche Verhältnis längerfristig positiv beeinflussen sollte: „Wybaczamy i prosimy o wybaczenie“ (Wir vergeben und bitten um Vergebung). Dieser mutige Schritt wurde in Deutschland nicht richtig gewürdigt und brachte den polnischen Kirchenfürsten daheim eine Fülle von Ungemach ein. Heute verweisen viele Polen stolz auf dieses mutige Versöhnungszeichen.

Ungemach erlebte Alt-Kanzler Gerhard Schröder in Warschau in anderem Zusammenhang: Die Männerfreundschaft des Mannes aus Hannover mit dem in Polen höchstumstrittenen russischen Präsidenten Waldimir Putin rief immer wieder Skepsis hervor, zuletzt bei der Unterzeichnung des Vertrages über eine deutsch-russische Ostseepipeline, ein Projekt, bei dem sich Polen hintergangen und ausgegrenzt fühlt. In der polnischen Presse tauchte sogar das böse Wort von einem neuen „Hitler-Stalin-Pakt“ auf.
Immerhin scheint sich nach Schröders Abgang und der Wahl des Brandenburger Matthias Platzek zum SPD-Chef auch eine Entkrampfung des polnischen Verhältnisses zu den Sozialdemokraten anzubahnen. Die nicht gerade deutschfreundliche Warschauer Wochenzeitung „Wprost“ nannte die Wahl Platzeks „eine der besten Nachrichten, die in letzter Zeit aus Deutschland kamen.“ „Schröder ist immer nach Moskau gefahren, Platzek tauchte regelmäßig in Polen auf. „Wprost“ schreibt von einem deutsch-polnischen „Hoffnungsträger“ und benutzt dabei das deutsche Wort.
Angela Merkel und Matthias Platzek - beide ostdeutsch und beide aus der Uckermark direkt an der polnischen Grenze. Soviel erwartungsfroher Anfang im deutsch-polnischen Verhältnis war lange nicht mehr.

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