Polen will an Feiertagen Geschäfte schließen
KOSTRZYN/WARSZAWA (n-ost) - Der Weg von Berlin-Britz in die polnische Grenzstadt Kostrzyn (Küstrin) lohnt sich für das Rentnerehepaar Staske nicht nur wegen des günstigen Benzinpreises und der Billigwaren in den schiefen Buden des „Polenmarktes“ an der Grenze. „Vor allem im Intermarché kaufe ich gerne ein“, sagt Brigitte Staske. Gerne auch sonntags, wenn in Deutschland nichts geht. Und in dem großen französischen Supermarkt von Kostrzyn sei der Käse so um ein Fünftel preiswerter als in Berlin, Wurst sowieso. Den Berliner Nils Zimmermann zieht es derweil zum Einkaufen nach Stettin. Dort lockt im Stadtzentrum das riesige Einkaufszentrum „Galaxy“ den jungen Vater mit preiswerten Babyklamotten an.
Überall in Polen sind in den letzten zehn Jahren so genannte Hypermärkte, die fast ausschließlich westeuropäischen Konzernen gehören, wie die Pilze aus dem Boden geschossen. Die Einkaufstempel verdrängen mit Billigangeboten die kleinen polnischen Lebensmittelläden der Ketten „abc“ oder „chata polska“ allmählich aus dem Straßenbild vieler Dörfer. Betriebsräte gibt es im Intermarché von Kostzyn und anderswo keine. Die Märkte stehen in Polen im Ruf, ihre Mitarbeiter auszubeuten. Eine ehemalige Kassiererin des riesigen britischen „Tesco“-Supermarktes von Gorzów (Landsberg), berichtet gar, dass dort der Toilettengang während der Arbeitszeit generell verboten sei.
Gegen solche Bedingungen werden am heutigen Freitag (11. November), der gleichzeitig polnischer Nationalfeiertag ist, landesweit Mitarbeiter der französischen Märkte Géant und Auchan protestieren; unterstützt von der Gewerkschaft „Solidarnosc“, die gegen die Sonntagsarbeit kämpft. Den nächsten Protest hat „Solidarnosc“ bereits für den zweiten Weihnachtsfeiertag angekündigt. Die meisten der großen so genannten Hypermärkte haben an sieben Tagen in der Woche geöffnet, häufig bis 22 Uhr, manche bis 24 Uhr. Für viele polnische Familien beginnt der Sonntag inzwischen nicht mehr mit dem Gang in die Kirche, sondern mit der Fahrt zum Hypermarket.
Auch deshalb fordert Przemyslaw Gosiewski, Chef des einflussreichen Parlamentarierclubs der konservativen Regierungspartei PiS (Partei „Recht und Gerechtigkeit), dass die Läden am Feiertag geschlossen bleiben, „um die nationale Kultur zu wahren“. Zudem will seine Regierung das Filialnetz internationaler Supermarktketten begrenzen. Laut seiner Parteikollegin Teresa Lubinska, der neuen Finanzministerin, gehe es darum, den polnischen Einzelhandel zu schützen. Außerdem seien die großen Supermärkte „in Polen nicht gerne gesehen“. Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz, ebenfalls PiS, unterstützt eine entsprechende Gesetzesinitiative mit den Worten: „Diese Hypermärkte tragen sowieso nicht zum Wirtschaftswachstum in Polen bei“.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein Gesetz durchkommt“, hält Metro-Sprecher Albrecht von Truchsess dagegen, „und wenn, dann nützt es nicht den kleinen Einzelhändlern, sondern Konzernen, wie etwa Lidl“. Von Truchsess bezieht sich auf die Idee, in Kleinstädten bis 15 000 Einwohnern Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von über 300 Quadtratmetern generell zu verbieten. Polen ist für die Metro Gruppe der zweitwichtigste Standort nach Deutschland. Sie beschäftigt – laut eigener Angaben – 19 000 Mitarbeiter in 94 Filialen, darunter auch bei „Metro“ und „Real“, die nun unter Beschuss stehen. Die Metro-Elektrofachmärkte „Media Markt“ und „Saturn“ und die Metro-Baumarktkette „Praktiker“ gibt es ebenfalls in Polen.
Der deutsche Handelsriese aus Köln hat im vergangenen Jahr in Polen 2,7 Milliarden Euro umgesetzt; und das vor einer Woche vorgelegte Quartalsergebnis weist für ganz Osteuropa ein Umsatzwachstum von 22 Prozent aus. Metro Polen ist das viertgrößte Unternehmen im Land. Von der Einschränkung betroffen wären zudem große französische Ketten wie Geant, Auchan und Intermarché, sowie die britische Tesco-Gruppe, die allein 20 000 Menschen in Polen beschäftigt.
Metro ist seit elf Jahren in Polen, als eines der ersten Mitglieder der deutsch-polnischen Industrie- und Handelskammer, deren Stellvertretender Geschäftsführer Marko Walde die neue polnische Regierung angreift: „Bedenkt man, dass vor einigen Jahren die Hypermarktketten noch mit Steuervorteilen dazu aufgefordert worden sind, in Polen zu investieren, ist es ein verheerendes Signal, wenn jetzt diesen Investoren gesagt wird, dass sie nicht willkommen sind“.
Gut vorstellbar, dass der Supermarkt-Streit in Polen auch Auswirkungen aus Deutschland hat und deutsche Kunden wie das Rentnerehepaar Staske aus Berlin-Britz demnächst an Sonn- und Feiertagen urplötzlich vor verschlossenen Türen stehen.
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