Guantanamo an der masurischen Seenplatte?
WARSCHAU (n-ost) - Für Elzbieta Kublik aus dem ostpolnischen Lublin bedeutet der Irakkrieg „einfach nur Stress - Stress, Stress und nochmals Stress“. Die resolute 52-jährige macht ihrem Unmut Luft, über „diese feigen Politiker“, diesen „Angeber“ von einem texanischen Präsidenten und über die „Hitze und die hohen Bierpreise von Falludscha“.
Elzbieta Kublik ist eine polnische Soldatenmutter; ihr Sohn Andrzej ein 26-jähriger Feldwebel, schiebt im irakischen Wüstensand Dienst: „Das Geld war ja der Grund, warum er da mitmacht, aber diese ständige Angst um sein Leben wiegt das nicht auf, außerdem gibt er das meiste Geld da unten schon wieder aus.“ Elzbieta Kublik würde ihren Sohn und die anderen Polen „lieber heute als morgen zurückholen“. Und dieses ganze Gerede vom Krieg gegen den Terror sei doch sowiese verlogen. „Das sieht man doch auch an Putin und Tschetschenien, der Bush ist auch nicht besser.“
Und heute (3.November) nun kommt in Polen die Nachricht an, dass der US-amerikanische Geheimdienst CIA seinen Kampf gegen den Terror scheinbar bis nach Masuren getragen hat. Dort haben Recherchen die Informationen der „Washington Post“ verdichtet, dass die US-Regierung vermeintliche Terroristen als Gefangene in geheimen osteuropäischen Internierungslagern hält.
Die wichtigste polnische Tageszeitung, die „Gazeta Wyborcza“, berichtet von einer Boeing 737 (Flugnummer N313P) aus der afgahnischen Hauptstadt Kabul, die am 22. September 2003 auf dem kleinen Flughafen Szymany bei Olsztyn (Allenstein) in der Urlaubsregion Masuren gelandet ist. Diese Privatmaschine sei von einer Transportfirma in den USA über mehrere Monate weltweit für verdeckte Operationen der CIA eingesetzt worden: So auch zwischen Prag und Usbekistan, wo die USA eine eigene Militärbasis besitzen, von der aus auch die afghanischen Gefangenen ins Lager Guantanamo, Kuba, ausgeflogen wurden.
John Sifton, Terrorexperte der internationalen Menschenrechtsorganiosation „Human Rights Watch“ sagt, er habe Beweise über den Gefangenentransport mit dieser Maschine im Jahr 2003: Nach Polen, Bulgarien und Rumänien. Die „Gazeta Wyborcza“ hat außerdem ermittelt, dass die Maschine N313P im vergangenen Jahr am selben Tag in Mazedonien war, als dort die Mitglieder einer Al-Qaida-Terrorzelle festgenommen wurden. Polnische Autoritäten aus Verteidigungsminsterium und Geheimdienst behaupten bisher, von der Landung der Maschine in Masuren oder irgendwelchen anderen Anti Al-Qaida-Operationen in Polen nichts gewusst zu haben. Und wenn, wird man sie politisch nicht zur Rechenschaft ziehen können, denn seit Montag gibt es eine neue Regierung; die bisher regierenden Sozialdemokraten wurden abgewählt.
Auch von Elzbieta Kublik, die ausreichend Gründe hatte, warum sie bei den jüngst zurückliegenden Wahlen für Andrzej Lepper gestimmt hat. Für den rechtspopulistischen Tribun der radikalen Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung), dessen Wähler schließlich den Warschauer Bürgermeister Lech Kaczynski von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zum Präsidenten gemacht haben - und in der kommenden Woche (10. November) der Minderheitsregierung der PiS zu einer Mehrheit im Parlament verhelfen will. „Wenn ich selbst Präsident wäre, würde ich als erstes den Befehl zum Rückzug unserer Truppen aus dem Irak geben“, sagte Lepper dieser Zeitung. Und die „Gazeta Wyborcza“ sieht bereits die neue Rgierung „als Geisel Leppers“. Die Affäre um amerikanische Kriegsgefangene in Polen jedenfalls wird es der neuen Regierung erschweren, sich Leppers Forderungen auf Abzug der Truppen zu entziehen.
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