Tschechien will Führerschein-Tourismus beenden
Prag (n-ost) Wem der Führerschein abgenommen wird, der kann in Tschechien einen neuen machen, und zwar ohne dort zu wohnen. Dieser Möglichkeit will Prag einen rechtlichen Riegel vorschieben, indem es das in allen anderen EU-Ländern geltende Wohnsitz-Prinzip in sein Verkehrsgesetz aufnimmt. Präsident Vaclav Klaus unterzeichnete jetzt eine entsprechende Novelle, der Parlament und Senat bereits zugestimmt haben. Ab 1. Juli 2006 sollen Führerscheine nur noch an Personen ausgestellt werden, die nachweislich seit mindestens 185 Tagen in Tschechien wohnen. Diese Regelung soll vor allem Deutsche und Österreicher daran hindern, ein im Heimatland verhängtes Fahrverbot zu umgehen.
Die deutsche Regierung begrüßte die Neuerung, drängte aber zur Eile. "Wir appellieren an die tschechische Seite, das Gesetz früher in Kraft treten zu lassen", sagte die Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums. Außerdem forderte das Ministerium, "rechtswidrig erteilte Fahrerlaubnisse wieder zurückzunehmen." Das sieht die Gesetzes-Novelle allerdings nicht vor, obwohl es angebracht scheint. Denn unter den deutschen Führerschein-Erwerbern sind laut Ministerium viele, denen in Deutschland wegen Alkohol- oder Drogendelikten die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Schon nach den ersten Berichten über Führerschein-Tourismus im letzten Jahr habe das Berliner Ministerium Prag aufgefordert, diese Praxis sofort zu unterbinden und bereits erteilte Führerscheine einzuziehen. Diese Forderung verlief aber im Sande, wie das Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte.
Die Fahrschulen in grenznahen Städten wie Karlsbad und Pilsen freuen sich seit dem EU-Beitritt des Landes über die zahlreichen zusätzlichen Kunden, die hauptsächlich aus Deutschland kommen und in geringerem Maße auch aus Österreich. Das Prager Verkehrsministerium schätzt den Anteil der Österreicher auf fünf Prozent. Der Betreiber einer Fahrschule in Pilsen gab an, dass seit Mai 2005 allein bei ihm ungefähr 3000 Deutsche einen Führerschein bekommen hätten. Dass darunter viele sind, denen in ihrem Heimatland wegen Verkehrsvergehen der Führerschein abgenommen wurde, interessiert nicht.
Drei Vorteile ziehen die Verkehrssünder nach Tschechien. Sie brauchen keine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung, zahlen weniger Geld und bekommen den Führerschein ausgehändigt ohne Beachtung der im Heimatland verhängten Sperrfrist für die Neuerteilung. Damit dürften sie in Deutschland oder Österreich nicht fahren, tun es aber. Das Kraftfahrtbundesamt zählte bislang 1260 Deutsche mit tschechischen Führerscheinen, die bei Kontrollen „auffällig“ geworden waren. Dabei seien häufig Alkohol und andere Drogen im Spiel gewesen.
Das öffentliche Interesse in Tschechien allerdings richtet sich auf andere Teile des neuen Gesetzespakets. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wird ab Mitte nächsten Jahres ein Punkte-System für Verkehrssünder eingeführt, das in Deutschland und Österreich bereits existiert. Wer zwölf Punkte sammelt, verliert seinen Führerschein für ein Jahr. Sofern er nicht ins Ausland zieht, muss er bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist ohne auskommen – wie Deutsche und Österreicher dann auch.
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Thorsten Herdickerhoff