"Unterwegs im anderen Europa"
FRAGE: Herr Stasiuk, was finden sie in der Provinz?
STASIUK: Eine andere Perspektive. Ich bin selbst aus dem Dorf und ziehe die Konsequenz aus dem, was ich bin. Es ist dumm so zu tun, als sei man ein anderer.
FRAGE: In Ihrem neuen Reiseessay „Unterwegs nach Babadag“ erfährt der Leser von Ihrer Münzsammlung. Einige dieser Währungen gibt es bereits nicht mehr. Verliert Europa an Vielfalt?
STASIUK: Wahrscheinlich wird die Vielfalt verloren gehen. Das Schicksal des Schriftstellers ist auch zu beschreiben, was untergeht. Man weiß ja nicht genau, wie es weitergeht mit Europa, es scheint ein wenig Schluckauf zu haben. Aber ich habe jede Menge rumänische Münzen, aus denen ich mir schon eine Halskette machen könnte, wie ein Zigeuner.
FRAGE: Woher die Faszination für die Zigeuner?
STASIUK: Keine Faszination. Ich betrachte sie nüchtern, daraus entsteht eine andere Sicht der eigenen Zivilisation. Sie sind die totale Negation der europäischen. Ich habe Interesse, doch romantische Verklärung ist fehl am Platz. Nicht weit von meinem Ort leben Zigeuner in einem verlassenen Bergwerk. Das ist der blanke Horror.
FRAGE: Sie schreiben über einsame, schmutzige Landstriche, über Leiterwägen auf Landstraßen. Bedienen Sie damit nicht das Klischee von Osteuropa?
STASIUK: Ich schreibe über das, was ich sehe in meinem Europa. Vielleicht ist das ein Stereotyp, doch das finde ich um mich herum. Europa ist nicht Paris. Es geht um eine Beschreibung des Ganzen, um Gegenden, die nicht beschrieben wurden. Albanien zum Beispiel ist auch Europa.
FRAGE: Was entscheidet sich bei den anstehenden polnischen Parlamentswahlen?
STASIUK: Das interessiert mich überhaupt nicht.
FRAGE: Sind die Polen ernüchtert von Europa?
STASIUK: Nein, die Polen haben begriffen, dass sie dabei gewinnen. Die anti-europäische Rhetorik ist in der Krise.
FRAGE: Wie reisen und wie schreiben Sie?
STASIUK: Ganz unterschiedlich. Mit dem Auto, aber das ist, als säße man in einem Fernseher. Öffentliche Verkehrsmittel sind in Osteuropa natürlich sehr anstrengend, bringen aber Kontakt. Durch Rumänien reiste ich mit meiner Frau zum Beispiel per Anhalter. Dagegen schreibe ich nur zuhause, aus der Erinnerung in der Küche oder an meinem Schreibtisch.
FRAGE: Wo liegt der schönste Ort Ihrer Reisen?
STASIUK: Europa ist so vielfältig, man kann sich alles ansehen. Kürzlich in Albanien war ich in einem Ort am Ochid-See. Es war ganz außergewöhnlich schön.
*** Ende ***